Dreidimensionale, visuelle Kommunikation in der Gebärdenfabrik
Ohne Stimme sprechen

Als ich vor einigen Jahren aus beruflichen Gründen einen Kurs in Deutscher Gebärdensprache belegt habe, hatte ich mir nicht träumen lassen, auf was für ein sinnliches Abenteuer ich mich einlassen durfte. Die Gebärdensprache ist, anders als unsere Lautsprache, eine dreidimensionale, visuelle Sprache, bei der der zu kommunizierende Inhalt intensiv mit Mimik und Gestik, eigentlich mit dem ganzen Körper und allen zur Verfügung stehenden Sinnen transportiert wird.

Ich war von Anfang an begeistert, weil sich mir ganz andere Kommunikationshorizonte vermittelten und ich noch niemals vorher beim Lernen einer Sprache so viel Spaß empfunden hatte. Allen anderen Kursteilnehmern ging es übrigens ebenso.

Vor Kurzem habe ich nun erfahren, dass es bei uns in der Crellestraße in Schöneberg - bereits seit Juni 2004 - auch eine Schule gibt, in der man sich dem von mir geschilderten Vergnügen hingeben kann.

Die Gebärdenfabrik, ehemals von Andreas Costrau und Frank Hübner gegründet, wird heute vom alleinigen Geschäftsführer Frank Hübner geleitet.
Alle fünf Dozenten der "Gebärdenfabrik" sind Muttersprachler und können deshalb die Gebärdensprache nicht nur als Fremdsprache vermitteln, sondern den Kursteilnehmern auch einen Einblick in die Geschichte und Kultur der lautlosen Welt unserer gehörlosen Mitmenschen geben.
Das Angebot der Gebärdenfabrik richtet sich nicht nur an Menschen, die beruflich mit Gehörlosen zu tun haben, sondern auch an all diejenigen, die Interesse haben, mit Gehörlosen in Kontakt zu kommen und etwas über das etwas andere Leben inmitten unserer Stadt zu erfahren.

Gehörlose verstehen sich selbst als sprachliche Minderheit und nicht als behindert und schon gar nicht als sprachlos. Gerade die Jüngeren stehen mitten im Leben und sind kulturell sehr interessiert. So werden vom Deutschen Gehörlosenbund z. B. alle vier Jahre die Deutschen Kulturtage der Gehörlosen unter dem Titel "Sprechende Hände feiern ihre Kultur" in verschiedenen deutschen Großstädten veranstaltet. Außerdem hat vom 19.-20. Mai gerade wieder das Gebärdensprachfestival im Berliner Schillertheater stattgefunden. Diesen Wettbewerb um die "Goldene Hand" gab es übrigens bereits zum 6. Mal bei stetig steigendem Medieninteresse.
Seit 2002 ist die Deutsche Gebärdensprache auch per Gesetz als gleichberechtigt neben der deutschen Lautsprache anerkannt. Damit hat jeder Gehör-lose im Bereich des öffentlichen Lebens (z. B. bei Arztbesuchen, Behördengängen) auch den rechtlichen Anspruch auf den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers, wenn er mit der hörenden Welt in Verbindung treten will.

Wenn Sie mit der lautlosen Welt Kontakt aufnehmen wollen, können Sie sich z. B. im Rahmen eines Schnupperkurses für 7,50 Euro einen ersten Einblick in dieses lustbetonte "Sprechen" verschaffen. Die nächsten Schnupperkurse finden am 2. und 23. Juni, von 18.00 - 19.00 Uhr in der Gebärdenfabrik statt.

Wer zum jetzigen Zeitpunkt oder später über etwas mehr Kenntnisse in der Gebärdensprache verfügt und diese testen oder weiterentwickeln möchte, hat auch die Möglichkeit, einen der Stammtische zum Klönen in Gebärden zu besuchen.
So lädt die Gebärdenfabrik z. B. immer Freitags ab 19.00 Uhr zum Gebärdenklatsch in's Cafe Toronto in der Crellestraße 17 ein. Darüber hinaus können Sie auch jeden Mittwoch ab 19.00 Uhr im Cafe Persil, in der Friedrichstraße 237 Ihre Kenntnisse vervollkommnen.

Falls ich Ihr Interesse geweckt habe, gibt es für hörende Leserinnen und Leser auch montags von 10.30 - 12.00 Uhr die Möglichkeit zu einer ersten telefonischen Beratung.

Eine komplette Kursübersicht und nähere Informationen zur Gebärdenfabrik finden Sie im Internet unter www.gebaerdenfabrik.de .

Veronika Schneider

Gebärdenfabrik GbR
Frank Hübner
Crellestraße 19/20
10827 Berlin
Tel.: 0700 347 322 745

Juni 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis