Die Riesengebirgs-Oberschule
Eine Insel im gewaltbereiten Umfeld?


Catering-Service in der Cafeteria der Riesengebirgs-Oberschule, Foto: Riesengebirgs-Oberschule

Wie viele Berlinerinnen und Berliner bin auch ich zunehmend beunruhigt und besorgt, wenn ich fast täglich über Angst, Bedrohung und Gewaltbereitschaft insbesondere an Berliner Hauptschulen höre und lese. Zu einem überwiegenden Anteil wird dieses Klima von Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund ausgelöst. Allgemeine gesellschaftspolitische Ratlosigkeit zu diesem Thema offenbart sich auch in den in letzter Zeit gemachten Vorschlägen aller Parteien sowie der Diskussion um eine eventuelle Abschaffung der Hauptschulen bzw. der Neugliederung des Berliner Schulsystems.
Nachdem wir alle jahrelang aus falsch verstandener multikultureller Toleranz oder einfach bornierter Intoleranz weggeschaut haben, und die Schulen sowie deren Lehrkörper mit der Problematik der Integration unserer Mitbürger nichtdeutscher Herkunft allein gelassen haben, beginnt jetzt langsam eine öffentliche gesellschaftspolitische Diskussion, über die seit Jahren real vorhandenen Probleme, mit denen sich die Schulen schon seit längerem täglich auseinander zu setzen haben und die neben der Vermittlung des Lehrstoffes zum Hauptarbeitsfeld der Lehrer und Schulleiter geworden sind.

Auch die Riesengebirgs-Oberschule muss sich, um ihren Lehrauftrag umsetzen zu können, fast täglich mit dem Thema Gewalt auseinander setzen. Hier geht es aber - im Gegensatz zur Rütli-Oberschule - nicht primär um gewalttätige Auseinandersetzungen innerhalb der Schule, sondern um die Auseinandersetzung mit dem schulischen Umfeld, wie z. B. der Fall eines deutschen Schülers dieser Schule zeigt, der Polizeischutz auf dem Schulweg erhalten hat.
Vor diesem Hintergrund sowie der Kenntnis von Meinungen von Schülern der Riesengebirgs-Oberschule habe ich ein Gespräch mit dem Direktor der Schule, Herrn Achim Stolle geführt, in dem er mir darstellte, was für Anstrengungen seine Schule unternimmt und welche neuen pädagogischen Konzepte an seiner Schule umgesetzt werden, um auch den Jugendlichen, die oft aus einem schwierigen familiären Umfeld kommen, noch eine reale Chance für den weiteren, nachschulischen Lebensweg mitgeben zu können.


School-Office, Foto: Riesengebirgs-Oberschule

Das große Ziel, das sich die Pädagogen an dieser Schule gesetzt haben, ist die Erziehung zur demokratischen Verantwortungsübernahme. Die Verantwortung für das eigene Handeln als Basis für Selbstständigkeit und soziales Miteinander.

Bei der gesamtgesellschaftlichen Tendenz, bei Problemen oder Misserfolgen im privaten oder gesellschaftlichen Rahmen, zunehmend die Schuld für Misserfolge den jeweils Anderen zuzuweisen, fällt die Riesengebirgs-Oberschule mit ihrem Konzept der eigenverantwortlichen Schule, das für den Lehrkörper ebenso wie für die Schüler gilt, damit wohltuend aus dem Rahmen.

Um dieses Ziel erreichen zu können, wurde hier z. B. bereits seit 1999 - zuerst im Modellversuch - und ab dem Sommer 2005 als Regelaufgabe eine verbundene Haupt- und Realschule eingeführt. Das heißt, dass jeder Schüler im Laufe seiner Schulzeit mit jedem Halbjahreszeugnis immer wieder die Chance hat (vorausgesetzt der entsprechende Notendurchschnitt wurde erreicht), den Realschulabschluss (heute "mittlerer" Schulabschluss) zu erlangen. Der Vorteil hierbei ist, dass die Schüler die ganze Schulzeit über in ihrem vertrauten Klassenverband verbleiben können und das Probehalbjahr wegfällt. Auch zeitweilige Leistungsabfälle müssen deshalb nicht zwangsläufig den Realschulabschluss gefährden.
Nachweislich gibt es seit Einführung dieses Verbundmodells weniger Klassenwiederholungen als vorher.
Darüber hinaus bietet die Schule auch noch drei Schülerfirmen, die zwar pädagogisch betreut, aber von den Schülern eigenverantwortlich betrieben werden und bei denen ein Teil der erwirtschafteten Gewinne auch an die Schüler zurückfließt.

So wird von den Schülern in der hauseigenen Cafeteria zweimal wöchentlich das Mittagessen zu-bereitet und darüber hinaus wird von diesem "Al Dente Team" auch ein Cateringservice angeboten, der auch außerhalb der Schule sehr gut nachgefragt ist. Die hierbei anfallende Büro- und Verwaltungsarbeit wird von der zweiten Schülerfirma, dem School-Office, erledigt. Und in der Biber Holz Produktion GmbH werden Flipcharts hergestellt, die bereits einen sehr guten Absatz finden.
Durch die Mitarbeit in den hauseigenen Firmen können, neben der Entwicklung des Selbstvertrauens und der Eigenverantwortung, auch Fertigkeiten entwickelt und Kenntnisse erworben werden, die nach dem Schulabschluss die Chancen auf einen Ausbildungsplatz erhöhen.


Al Dente Team, Foto: Riesengebirgs-Oberschule

Über diese Schülerfirmen hinaus wird durch die Pädagogen der Riesengebirgsschule aber noch mehr getan, um bei den Schülern soziales Engagement und Konfliktfähigkeit zu entwickeln. So existiert bereits seit 2002 das Projekt Service Learning, in dessen Rahmen die Schüler mit insgesamt 67 Stellen bei 33 Institutionen ehrenamtliche Betreuungsfunktionen übernehmen (z. B. in Seniorenheimen und Kitas).
Und seit 1999 werden durch eine speziell dafür geschulte Pädagogin jährlich 10 Schüler als Konfliktlotsen ausgebildet, deren Arbeit bei den Schülern und den Lehrern ein hohes Ansehen geniesst. Ferner haben sich Schüler in Pausenteams organisiert, um bei den Toiletten einen sauberen Standard sichern zu können.

Bei all diesen Anstrengungen, die das Lehrerkollegium unternimmt, um auch Schülern, die nicht mit dem höchsten Schulabschluss die Schule verlassen werden, einen guten Start in das künftige Arbeitsleben zu ermöglichen, verwundert es auch nicht, dass der Schulleiter, Herr Stolle, der Bitte der Stiftung "Brandenburger Tor" nachgekommen ist und mit seiner Schule seit Herbst 2005 an dem Stiftungsprojekt "Schüler übernehmen Verantwortung" zusammen mit 5 anderen Schulen (Grundschule, Gymnasium, OSZ) aus Berlin und Brandenburg teilnimmt.

Bei allem, was sich mir über die Riesengebirgs-Oberschule vermittelt hat, habe ich einen großen Respekt vor der Arbeit des Lehrerkollegiums und des Rektors der Schule bekommen , sehe aber auch, dass die Integrationspolitik in Berlin nicht allein von den Schulen bewältigt werden kann.
Diese sich in den letzten Jahren stetig verschärfende Problematik muss von allen, insbesondere von den politischen Mandatsträgern und den verantwortlichen Senatsstellen, geschultert werden, um auch in Zukunft noch motivierte und engagierte Lehrer finden zu können, die sich dieser Aufgabe stellen wollen.

Wenn ich Ihr Interesse für die Schule geweckt habe, können Sie sich im Internet unter www.r-os.cidsnet.de noch ausführlicher über die Riesengebirgsschule und ihr Profil informieren. Reinschauen lohnt sich auf jeden Fall.

Veronika Schneider

Riesengebirgs-Oberschule
Belziger Straße 43 - 51
10823 Berlin
Tel. 7560 7165

Juni 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis