Reingard Jäkl (Bündnis 90 / Die Grünen)
Mitglieder der BVV

In dieser Ausgabe lernen Sie Frau Reingard Jäkl, Mitglied der BVV-Tempelhof-Schöneberg für Bündnis 90/Die Grünen kennen. Sie ist Fraktionsvorsitzende, gehört dem Ältestenrat, dem Hauptausschuss, dem Schulausschuss sowie dem Ausschuss für Frauen an und führt den Vorsitz im Ausschuss für Bildung und Kultur. Sie ist Historikerin und hat diverse Ausstellungen zur Geschichte der Stadt gestaltet, u. a. zur Geschichte des Bezirks Schöneberg ("Vergnügungsgewerbe rund um den Bülowbogen"). In dem Buch "Frauenpolitik und politisches Wirken von Frauen im Berlin der Nachkriegszeit 1945-1949" hat sie das Kapitel über Schöneberg verfasst. Sie ist die verantwortliche Redakteurin bei "Der Stichel - Stadtteilzeitung für Schöneberg und Tempelhof", die vom Bündnis 90 / Die Grünen herausgegeben wird.

Welcher Weg führte Sie in die Politik?

Ich bin in Bayern aufgewachsen, habe in München Geschichte und Politische Wissenschaften studiert und war in der Hochschulpolitik und der undogmatischen Linken engagiert.

Seit 1975 lebe ich in Berlin, war aktiv in der feministischen Bewegung. Meine politische Arbeit lag im außerparlamentarischen Bereich. In den 90er Jahren wollte ich das ändern und wurde Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen. Das war für mich die einzige Partei, in der ich an den Themen, an denen ich außerparlamentarisch engagiert war, weiterarbeiten konnte: Die einzige Partei - bis heute - die soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung der Geschlechter als Einheit sieht und das Bestreben hat, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an den gesellschaftlichen Entwicklungen beteiligen können. Besonders schätze ich bei den Grünen auch das Verantwortungsbewusstsein für Natur und Zukunft. Sie sind die einzige Partei, die konsequent umweltpolitische Arbeit macht. 1995 wurde ich zum ersten Mal in die BVV gewählt

Welcher Ausschuss gehört zum Schwerpunkt Ihrer BVV-Arbeit und warum?

Ich habe in meiner bisher 10jährigen BVV-Tätigkeit in vielen Ausschüssen gearbeitet. Besonders wichtig waren mir der Schöneberger Ausschuss für Stadtentwicklung, und bis heute ist es der Frauenausschuss.

Zwar hat sich die Gleichstellung der Geschlechter vom papierenen Grundgesetzartikel bis zur heutigen Praxis in den letzten 30 Jahren erfreulicherweise sehr verbessert, aber manche Bereiche vor Ort und/oder veraltete Teile der Verwaltungen scheinen immer noch in einem Dornröschenschlaf zu liegen. Diese gilt es aus dem Schlummer zu wecken. Deshalb halte ich meine Arbeit im Frauenausschuss weiterhin für sehr wichtig, gerade auch weil ich in der Bezirkspolitik keine Anfängerin mehr bin, sondern meine Erfahrungen nutzen kann. Heute, wo alle von Gender-Politik sprechen ("Gender Mainstreaming", "Gender Budgeting"), ist es weiterhin dringend notwendig, an der Beseitigung von Frauendiskriminierung zu arbeiten. Zum Beispiel empfinde ich es als einen Riesenskandal, dass Frauenlöhne im Schnitt nur 70 % der Männerlöhne betragen. Der Kampf gegen Häusliche Gewalt ist ein weiterer Bereich, der offensive Frauenpolitik immer noch nötig macht.

Sie sind Vorsitzende im Ausschuss für Bildung und Kultur. Wo liegt hier Ihr Augenmerk?

Die Kulturpolitik war eine meiner Hauptmotivationen, überhaupt in die Bezirkspolitik einzusteigen. Ich hatte bis dahin einige Erfahrungen bei der Arbeit in historischen und künstlerischen Projekten gesammelt und dabei auch bezirkliche Kultureinrichtungen kennen gelernt.

Im vergangenen Jahr ist es gelungen, trotz knapper finanzieller Mittel, die kulturellen Einrichtungen im Bezirk auf stabile Füße zu stellen. Dies wurde im Kulturausschuss im Konsens mit allen Parteien erarbeitet. Zusammen mit dem Steuerungsgremium des Bezirksamtes wird jetzt an einem Bildungs- und Kulturentwicklungsplan gearbeitet.

Unsere Fraktion hat maßgeblich dazu beigetragen, dass im Bezirk keine Bibliothek geschlossen werden musste. Wir fordern dezentrale Strukturen auch im Kulturbereich und unterstützen Eigeninitiative der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb habe ich mich nachdrücklich dafür eingesetzt, dass die kleine Kinder- und Jugendbibliothek am Wartburgplatz (Thomas-Dehler-Bibliothek) jetzt ehrenamtlich vom Förderverein betrieben wird und nicht geschlossen werden musste.

Kulturarbeit fördert Kreativität, Phantasie, Intelligenz und Dialogfähigkeit. Bildung und Kultur spielen eine wichtige Rolle bei der Gewaltprävention und können das Wohnumfeld positiv beeinflussen. 

Was ärgert Sie bei Ihrer politischen Tätigkeit?

Wenn die Interessen der Bürgerinnen und Bürger nicht im Mittelpunkt der politischen Entscheidungsprozesse stehen. Wenn zum Beispiel im Bereich der Stadtentwicklung die anderen Parteien nur der Logik der Investoren, die im Gewand des Totschlagarguments "Schaffung von Arbeitsplätzen" daherkommt, folgen und die berechtigten Interessen der Anwohner/innen nicht ernst nehmen. So geschehen im vergangenen Jahr beim Bauvorhaben am Walther-Schreiber-Platz.

Was liegt Ihnen besonders am Herzen?

Dass die Verwaltung ihren Anspruch auf Bürgerfreundlichkeit umsetzt. Zum Beispiel, dass alle daran arbeiten, unseren Bezirk endlich barrierefrei zu gestalten.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Ich will am 17. September wieder für die BVV kandidieren, um meine Arbeit fortsetzen zu können.

Das Gespräch führte
Bärbel Schneider

März 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis