Neue Herausforderungen
Serie: Jugendliches Sozialengagement in Südafrika

Seit vier Wochen sind die Kinder wieder in der Ethembeni Schule. Für die Kids hat sich im neuen Schuljahr einiges geändert. So gibt es u.a. eine überarbeitete Schulordnung und einen veränderten Essensplan. Aber auch für uns hat sich einiges im Projekt getan, es gibt neue Aufgaben und Arbeitsbereiche:
Wir assistieren u.a. den Lehrern im Unterricht, wie z.B. einer blinden Lehrerin, bei der Unterrichtgestaltung und Durchführung oder helfen in der "Specialclass". Das ist eine Klasse für Schüler mit Lernschwächen, die Basiswissen vermittelt bekommen. Hier ist individuelle Betreuung sehr wichtig.

In diesem Schuljahr ist für uns auch ein ganz neuer Bereich dazugekommen - die Arbeit in der Sprachtherapie. Die Sprachtherapeutin verließ die Schule. Es wird noch eine Weile dauern, bis ein neuer Lehrer/in eingestellt wird. Seit kurzem arbeiten wir deshalb regelmäßig mit Kindern in der Sprachtherapie.

Wir konzentrieren uns dabei auf die vier Kinder aus der AAC-Class. Das ist eine Klasse für andere Kommunikationsweisen, die in diesem Jahr neu gegründet wurde. Die Kinder können alle nicht sprechen, ihren Mund und ihre Zunge nicht so bewegen und formen, dass sie Wörter bilden können. Somit müssen andere Kommunikationswege gefunden werden. Das geschieht vorwiegend über Bilder, auf die sie zeigen, sowie über Handzeichen, die sie geben.
Jeder von uns arbeitet jeweils mit einem Kind am Computer. Wir benutzen ein spezielles Computerprogramm, das eine bestimmte Anzahl von Kästchen erstellt, in die Buchstaben, Wörter, Zahlen oder Bilder eingesetzt werden. Nacheinander wandert ein Rahmen die Kästchen entlang, das jeweilige Kästchen ist dann aktiviert und der Inhalt wird auf den Bildschirm projiziert. Die Kids betätigen mit ihrer Hand oder mit dem Fuß den Druckknopf.

Mit den beiden Skhumbuzos, Jungs im Alter von 9 und 10 Jahren, üben wir ihre Namen nachzuschreiben, dagegen erkennt die achtjährige Nontokozo, das einzige Mädchen, ihren Namen, kann ihn nachschreiben und von anderen unterscheiden.

Mit Fundisani rechne ich auch schon einfachste Multiplikationsaufgaben. Bis 12 kann er rechnen, teilweise rechnet er sie im Kopf, teilweise aber auch mit einer Rechenhilfe. Und nach ein paar Unterrichtsstunden sind auch schon erste Erfolge zu verzeichnen. Zwei Aufgaben, bei denen er vorher noch die Rechenhilfe benötigte und es lange dauerte, bis er auf das Ergebnis kam, kann er nun ohne jede Hilfe im Kopf lösen.

Wir arbeiten mit den Kindern dreimal in der Woche, jeweils eine halbe Stunde. Den Vieren macht es riesigen Spaß, genauso wie uns auch. Sobald wir den Klassenraum betreten, wollen sie alle an die Computer.
Diese Arbeit ist uns sehr wichtig, denn wenn man ein Kopfschütteln nicht von einem Nicken unterscheiden kann, ein Laut, den jemand von sich gibt, ein "Ja", ein "Nein" oder auch etwas komplett anderes bedeuten kann, ist es für beide Seiten umso schwieriger und frustrierender, sich nicht richtig mitteilen zu können, um verstanden zu werden.
Deshalb ist die Arbeitsweise mit den Computerprogrammen eine sehr sinnvolle, da wir ihnen so grundlegende Sachverhalte vermitteln können, sie sich aber auch ausdrücken und verständlich machen können.

Das schulische Ziel ist es, sie in den allgemeinen Bildungsweg einzugliedern. Ob das klappen könnte, weiß niemand, aber wenn wir es schaffen, dass sich die Kids mitteilen, verständlich machen und ausdrücken können, ist auf jeden Fall schon die Basis geschaffen.
Ich denke, dies ist sogar viel wichtiger als jeder Schulstoff. Ist doch die Kommunikation eine der wichtigsten Voraussetzungen, die es überhaupt gibt, in welcher Form auch immer. Was wäre ein Leben ohne ein Austausch, ohne ein Mitteilen seiner Bedürfnisse, Gedanken und Wünsche?

Felix Kloss

März 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis