Auguste Sprengel (1847 - 1934) - "Mutter" der Frauenschulbewegung
Anfang des 19. Jh. kam eine Frau aus Waren in Mecklenburg nach Berlin und gründete hier eine private Frauenschule. Es war keine gewöhnliche Frau, die mit 56 Jahren ihrer Heimatstadt den Rücken kehrte. Auguste Sprengel hatte sich von einer Erzieherin zur Lehrerin an der neugegründeten Städtischen Höheren Töchterschule in Waren hochgearbeitet, deren Vorsteherin sie nach weiteren neun Jahren wurde. Früh hatte sie sich für die Ausbildung von Mädchen eingesetzt. Als die Warener Stadtverwaltung ihren Vorschlag ablehnte, weiterbildende Frauenkurse für Mädchen nach dem Schulabschluß einzurichten, war dies Grund genug für die aktive Frau, sich ein neues Wirkungsfeld zu suchen. Die Provinz war zu eng für sie geworden.

Das eigentliche Ziel Auguste Sprengels war die Gründung von sog. Frauenschulen, Anstalten "zur Erziehung unserer jungen Mädchen für den Beruf als Hausfrau und Mutter", wie sie selbst in einer Festschrift zur 60-Jahr-Feier der nach ihr benannten privaten Mädchenschule in der Friedenauer Moselstraße formuliert - ein Ziel, für dessen Verwirklichung sie Mecklenburg verlassen hatte und für das sie sich zeitlebens einsetzte, das sie aber auch dem Spott der radikaleren Teile der Frauenbewegung aussetzte. So sprach z.B. die Frauenrechtlerin Minna Cauer vom "Gretchen- und Hausfrauenideal deutscher Frauen". Interessanterweise und sicher nicht von ungefähr war Minna Cauer Ehefrau und Mutter, früh verwitwet und dem Stigma ausgesetzt, dass "Witwen nach dem Tode ihres Mannes, wenigstens in Deutschland, als eine Null gelten", während Auguste Sprengel unverheiratet mit ihrer Schwester zusammenlebte.

Die eine kämpfte also gegen die weibliche Bedeutungslosigkeit außerhalb ihres Status' als Ehefrau und Mutter, die andere, kann man vermuten, setzte sich für die selbst nicht erreichte (und idealisierte) Rolle der Familienmutter ein; beide wollten die Frauen in ihren jeweiligen Positionen stärken - zwei Seiten derselben Medaille und ein immer noch nicht ausgestandener Konflikt!

Auguste Sprengel selbst war eine intellektuelle Frau mit viel Durchsetzungskraft, die heute eine gute Managerin oder gar Ministerin abgäbe: sie kämpfte für die Gründung eines großen Verbandes, der alle gemeinnützigen Anstalten für Lehrerinnen umfasst, um effektiver agieren zu können, zeigte Weitsicht in Bezug auf die anstehenden Probleme und die Möglichkeiten ihrer Überwindung. Ihr Kampf für Pensionskassen und Mindestgehälter für Lehrerinnen gibt einen Einblick in die Entwicklung der Sozialsysteme (deren Rückbau wir heute beobachten müssen!)

1873 gründeten die Schwestern Roenneberg in der Moselstraße 5 in Friedenau eine Privatschule, die "Roennebergsche Höhere Mädchenschule", wie sie anfangs hieß. Über 50 Jahre später bat die damalige Direktorin, Frau Dr. Menadier, Auguste Sprengel darum, das Patronat der Schule zu übernehmen, die dann ab 1926 bis zu ihrer Auflösung Auguste-Sprengel-Lyzeum hieß. Sie wollte die seit 1902 in Schöneberg ansässige "geistige Mutter der deutschen Frauenschule" ehren, und diese nahm die Ehrung gern an. Auguste Sprengel nahm regen Anteil an der Entwicklung der Schule und bedauerte, dass ihr hohes Alter (sie war zu diesem Zeitpunkt bereits über 80 Jahre alt) sie daran hinderte, sich "häufiger und eindringlicher am eigentlichen Schulleben zu beteiligen." Ehemalige Schülerinnen erinnern sich an die kleine, zierliche Frau mit Spitzenhäubchen, die sie in ihrem Haus in der Hedwigstraße 7 besuchten, zu ihren Füßen auf dem Boden hockten und ihren Erzählungen von "Anno dazumal" lauschten, während sie von der Haushälterin bewirtet wurden.

Anlässlich der 60-Jahr-Feier der Schule 1933 thematisiert Auguste Sprengel wieder ihren alten Wunsch, dass dem Lyzeum eine Frauenschule angegliedert werden möge. Drei Jahre später wurde die Schule wie alle Privatschulen aufgelöst, wohl ohne dass sich dieser Wunsch erfüllt hatte. Anders das Städt. Lyzeum in Lankwitz, das in den 30er Jahren bis zum Kriegsende gleichfalls den Namen Auguste Sprengels trug und in einer Festschrift von 1933 zum 25j. Bestehen als "Städt. Lyzeum mit Frauenschule" bezeichnet wird.

Sigrid Wiegand

März 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis