Ein wechselvolles Leben
Erna Proskauer

Wollte man die Lebensgeschichte von Erna Proskauer verfilmen, müsste man wohl mehrere Folgen einplanen. Und jede würde beeindrucken durch den Mut, die Phantasie und Flexibilität, die diese außergewöhnliche Frau im Existenzkampf in immer wieder gewagten Neuanfängen bewiesen hat.

Erna Proskauer, geb. 1903 in Bromberg, stammte aus einer gutsituierten jüdischen Familie. Ihre erste Emigration erlebte sie im Alter von 17 Jahren, als ihre Heimatstadt infolge des Versailler Vertrages polnisch wurde - ihre Familie übersiedelte nach Berlin, in eine Wohnung in der Bundesalle, die damals noch Kaiserallee hieß. 1922 machte Erna Proskauer ihr Abitur und studierte als eine der ersten Frauen Deutschlands Jura. Ihr Vater war Rechtsanwalt, ebenso ihr Mann, Max Proskauer, den sie 1930 heiratete. Ihr Berufsziel Richterin konnte sie nicht erreichen, aufgrund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" entließ man sie 1933 aus dem vorbereitenden Justizdienst, ihr danach gestellter Antrag auf Zulassung als Rechtsanwältin wurde abgelehnt. Nachdem kurz darauf auch ihr Ehemann als Jude Berufsverbot erhielt und damit beide ihrer Existenzgrundlage beraubt waren, emigrierte das Paar nach Paris, wo bereits Verwandte lebten. Hier versuchte sich Erna Proskauer zunächst als Hutmacherin, ihre "Kreationen" bot sie eigenhändig bei Pferderennen an, aber die "luftigen Gebilde" fanden keine Käufer. Als auch der Versuch des Aufbaus einer Schuhcremefabrik scheiterte, emigrierten die Proskauers 1934 nach Palästina.

Juristische Tätigkeit war auch dort für beide aufgrund mangelnder Kenntnisse der hebräischen Sprache und des geltenden Rechts nicht möglich. Erna Proskauer verlegte sich auf praktische Erwerbstätigkeiten. Obwohl sie bisher mit Haushaltsarbeit wenig konfrontiert worden war, verdiente sie mit Näharbeiten zumindest so viel, dass es fürs Überleben gerade reichte. Sie wohnten in einem Haus ohne Strom und Wasser. Lange Zeit gab es nicht einmal eine Toilette. Das wurde auf der "grünen Wiese" erledigt. Ihre Näharbeiten bekamen bald Konkurrenz von anderen Emigrantinnen, die das weitaus besser konnten. Erna Proskauer musste sich etwas einfallen lassen. Sie eröffnete einen "Reinigungsdienst". Die Kleidungsstücke wurden in alten Ölkanistern in Petroleum gereinigt, Benzin war nicht bezahlbar. Die Sachen rochen nach dieser Prozedur zwar fürchterlich, waren aber sauber. Einige Zeit später kam sie zu einer Heißmangel. Das Mangeln alleine gab nicht allzuviel her, also gründete sie eine Wäscherei, gewaschen wurde in Zinkzubern, meistens vor der Haustür. Ihr Mann versuchte sich zwischenzeitlich erfolglos im Importgeschäft, entschloss sich dann, intensiv Hebräisch zu lernen, legte ein Rechtsexamen ab und fand Anstellung in einer Behörde. Ihre abenteuerliche Zeit in Palästina (seit der Staatsgründung dann Israel) beschreibt Erna Proskauer in ihrem Buch "Wege und Umwege". (erschienen 1989).

Als einige Jahre nach Kriegsende die Entschädigungsverhandlungen in Deutschland begannen, sahen auch die Proskauers eine Möglichkeit wieder zurückzukehren. 1953 wagten sie den Neuanfang in Berlin, sie fanden eine Wohnung in Schöneberg, Max Proskauer ließ sich als Anwalt nieder.
Die jahrzehntelange Tätigkeit am Waschzuber und die Schlepperei der schweren Wäschepakete hatten ihren Tribut hinterlassen. Erna Proskauer hoffte, endlich ihr ursprüngliches Berufsziel Richterin verwirklichen zu können. Für ihre Wiederaufnahme in den Justizdienst prozessierte sie jahrelang - bis ihr in letzter Instanz beschieden wurde, dass ihr die Berufung als Richterin auch ohne ihre damalige Entlassung verweigert worden wäre, da zu der Zeit Frauen, die durch einen Ehemann wirtschaftlich abgesichert waren, nicht zum Richteramt zu-gelassen worden seien. Eine zweifache Diskriminierung - als Jüdin und als Frau. Nach diesem Urteil, das übrigens in juristischen Fachzeitschriften sehr kritisiert wurde, beantragte sie ihre Zulassung als Rechtsanwältin, etwas später auch als Notarin. Seit ihrer Rückkehr hatte sie als juristische Beraterin für Entschädigungsanträge gearbeitet. Nach dem Tod ihres Mannes, von dem sie mittlerweile allerdings geschieden war, übernahm sie 1968 seine Allgemeinpraxis - da war sie 65 Jahre alt. Ihren Beruf gab sie erst an ihrem 85. Geburtstag auf.

Für ihre "Verdienste um die Berliner Justiz" wurde Erna Proskauer 1995 das Bundesverdienst-kreuz verliehen. Sie starb 2001 in ihrem 98. Lebensjahr.

Rita Maikowski

März 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis