"Eine Berliner Romanze" von 1955
Frau Knöttke und das Zeitgeschehen...

Meine Mutter, uff Zack, wie se nu mal is, hat mich doch tatsächlich uffe Berlinale geschleppt! Da jab's nämlich ´n DDR-Film von 1955, der damals drüben verboten war, den wollte se unbedingt sehen, war ja ihre Zeit. Wir also hin, war 'ne richtige Familienstimmung, die Hauptdarstellerin war ooch gekommen - nu ooch nich mehr die Jüngste, aba noch janz flott - und denn sieht man se plötzlich jung und drall uffe Leinwand und denkt: Kinder, wie die Zeit vergeht! Berlin noch in Trümmern, in Ost und West, denn die Mauer jab's ja da noch nich, ooch inne Köppe nich, dit jing immer hin und her zwischen Ost- und Westberlin, kann man sich janich mehr vorstellen. War aber schon interessant: die Ossis gingen am Potsdamer Platz ins Kino und im Westen einkaufen ("neh'm se ooch Ost"? hieß es immer) und die Wessis hab'n Geld umgetauscht und sind im Osten zum Frisör, erzählt meine Mutter. Und die Ostmädels waren in Westberlin zum Tanzen, da war mehr los. Keen Wunder, dit se lieber im Westen gewohnt hätten und dit ooch im Film gesagt haben und dit se den denn verboten haben. Trotzdem war'n da natürlich die Ossis die Besseren und die Wessis die Gauner, so war dit eben. Obwohl, manche gloob'n dit ja heute noch... Aber am meisten jewundert haben wir uns, wie eener zu seinem Westfreund sagt: wat, du jehst mit eener von drüben, die wirste eines Tages nich mehr treffen können! Kiek mal an, schon 1955!
staunt Eure

Elfriede Knöttke

März 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis