Künstler im Kiez: Birgit Knappe
Stein-Zeit-Raum
Die Künstlerin Birgit Knappe

Wer sammelt nicht gerne Steine? Am Ostseestrand zum Beispiel die Hühnergötter. Die Ästhetik der Rundungen, Abschleifungen, bizarren Formen und Durchlöcherungen begeistern jeden Strandbesucher. Wir packen sie in die Hosentasche, nehmen sie mit nach Hause und deponieren sie gut sichtbar auf der Fensterbank, dem Schreibtisch oder in einer Schale gemeinsam mit anderen Fundstücken. Steine haben etwas besonderes, seien sie aus Granit, Sand, Marmor oder Kalk. Sie vermitteln eine Ahnung von Beständigkeit, Ruhe und einem - fast scheint es so - Innehalten der Zeit.

Ihr größter wog 13 Tonnen. Süd-afrikanischer Granit. Und nun ruht er in Iserlohn. Natürlich hat Birgit Knappe, Bildhauerin mit Wohnsitz in Schöneberg, diesen Giganten nicht am Strand gefunden und aufgesammelt. Ihre Leidenschaft geht andere Wege. Es ist der Wille, das Muss, diese Ur-Teile zu bearbeiten, ihrer Erscheinungsform einen neuen Ausdruck zu verleihen, sie mit der eigenen Persönlichkeit zu durchdringen, ihnen eine vielfach zu interpretierende Beseeltheit zu geben ohne sie ihrer Identität zu berauben.

In ihrer Heimat Schleswig-Holstein hatte sie bereits als Jugendliche mit Ton der örtlichen Baustellen Köpfe modelliert. Die Initialzündung für ihr Interesse an Kunst war ein Schulreferat über Rodin - die Recherchen dazu vermittelten ihr den Sinn für Formen, und gleichzeitig entwickelte sich ihr Naturinteresse. Sie fing an zu zeichnen und widmete sich insbesondere Aktzeichnungen. 1976 kam sie nach Berlin, zum Studium an der HdK. Körper waren dann auch lange Zeit ihr künstlerisches Thema, Skulpturen in absurden Haltungen, paarweise Konstruktionen, die trotz ihrer intimen Posen kalt und abweisend wirkten.

Seit einiger Zeit widmet sich Birgit Knappe dem Thema "Architektur und Raum": sie meißelt, fräst und hämmert, durchhöhlt und durchlöchert ihre Arbeitssteine, es entstehen Schutzräume, bunkergleich, die durchaus zwiespältige Gefühle beim Betrachter erzeugen; nicht heimelige, sondern eher bedrohliche Geborgenheit und falsche Sicherheit suggerierende steinerne Raumgebilde, Widersprüche, deren Faszination der Betrachter sich nicht entziehen kann. Den Geist des Entstehungsprozesses, einer Mischung von positiven wie auch negativen Bauchgefühlen mit dem Sinn für Raum und Ästhetik vermitteln die fertigen Skulpturen eindrucksvoll.

Birgit Knappe hat sich kein leichtes Feld für ihre künstlerische Arbeit gewählt: bereits die Beschaffung, sprich der Transport der Steine an den Ort ihrer Bearbeitung, erfordert genaueste Logistik. Sie findet Ihre Rohlinge in Steinbrüchen oder bei Steinhändlern, der Preis richtet sich nach Größe und Gesteinsart. Selbst die kleineren Objekte sind durch schiere Muskelkraft nicht mehr zu bewegen, Hubwagen, Kräne und Transporter kommen zum Einsatz, um die Kolosse an ihren Bearbeitungsort zu bringen, und der ist in den meisten Fällen auch der Bestimmungsort der fertigen Skulpturen, ein nochmaliger Transport wäre zu kostenaufwändig. Die Möglichkeiten für "große" Arbeiten bieten in der Regel Symposien, z.B. wie das in Lettland, wo die Künstlerin Findlinge durch Fenstereinschnitte "belichtet und belüftet" hat. Ihre Steinskulpturen finden sich über ganz Europa verstreut: Italien, Sardinien, Portugal, Tschechien und sogar in Israel. Ihr aktuelles Projekt ist auf den Ahrenshooper Boddenwiesen entstanden: ausnahmsweise keine Stein- sondern eine Holzskulptur, der "Windturm".

Die körperlichen, oft muskelverkrampfenden Anstrengungen erfordern einen sportlichen Aus-gleich. In ihrer Jugend hoffnungsvolle Leichtathletin bei "Jugend trainiert für Olympia", entspannt sich die vielseitige Künstlerin heute bei intensivem Schwimmen.

Man kann ja nicht immer nur mit Kolossen arbeiten. Parallel zu ihrer Arbeit als Bildhauerin zeichnet und malt Birgit Knappe. Außerdem fertigt sie kleinere Skulpturen aus Stein, Holz, Gips und auch Tonformen, die dann in Bronze gegossen werden. In Berlin sind Bilder von ihr im Finanzministerium und im Bauministerium zu sehen. Mit einigen Arbeiten ist sie auch in der Graphiksammlung des Bundes vertreten.

Eine Ausstellung der "kleineren" Arbeiten, Bilder und Skulpturen, können Sie ab Oktober in Berlin besuchen.

Ausstellung in der
"Galerie Mutter Fourage"
Vom 15.10. bis 25.11.2006
Eröffnung: 15.10.2006
von 11.30 - 14.00 Uhr
Chausseestr. 15 A,
14109 Berlin-Wannsee
Tel. 805 23 11

Rita Maikowski

Oktober 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis