Kleines Theater am Südwestkorso
Johnny Cash - The Beast in Me
Ein musikalisches Porträt, Konzept und Regie: James Lyons

Ein Mann in Schwarz mit einem Gitarrenkasten betritt die dunkle Bühne, wo zwei Gestalten ihn erwarten, ein Mann mit einer Laterne und eine weiß gekleidete Frau - ein Engel? Der Mann in Schwarz scheint sie nicht zu bemerken, suchend sieht er sich um und erkennt das Land seiner Kindheit: Arkansas, und ist's zufrieden, am Ende einer langen Reise, eines langen Lebens wieder daheim. Er erinnert sich, wie alles war, die Armut, die schwere Arbeit auf den Baumwollfeldern, die Zugfahrten mit dem Onkel auf seiner Lokomotive, die Musik, der Tod des geliebten Bruders - poetische Bilder, immer wieder untermalt von traditioneller Countrymusic. Man ist sofort gefangen von der dichten Atmosphäre.

Die beiden Mitspieler, die zunächst wie Boten des Todes wirken, verkörpern nach und nach Menschen aus dem Leben des Johnny Cash, die Mutter, den Freund, die Frauen - allen voran natürlich June Carter, seine große Liebe, die diese "Ehre" teuer bezahlen musste. Denn da war das "Beast in him": Cash, der Jähzornige, der Gewalttätige, der Drogensüchtige, der immer wieder den Johnny beherrschte. Sie verließ ihn, kam zurück.

Der weitere Verlauf des Stückes kann den Zauber der ausgebreiteten Kindheit nicht ganz halten, die Sprünge werden größer, es gibt einen Bruch: eben noch hat der
Carpenter seine Lady "married in a fever", da klagt er schon, wie sehr er sie vermisst. Was war geschehen? Hat sie ihn wieder verlassen, oder ist sie gestorben? Der Autor James Lyons oder die Inszenierung verraten es uns nicht. Der gesamte Lebenslauf hätte in der Ausführlichkeit des Anfangs das Stücks sicher gesprengt; aber hier wurde wohl zuviel gekürzt.

Immer wieder ist es die Musik, die das Stück entscheidend trägt, die Country- und Bluesmusik des amerikanischen Südens, in die Johnny Cash eingebettet war und die er mit seinen berühmten Songs bereicherte. Folgerichtig hören wir nicht nur Lieder und Balladen von Johnny Cash, sondern auch die seiner Vorgänger und Zeitgenossen, hervorragend dargeboten von den drei Darstellern: Erik Hansen (vom Typ her eher ein Nick Nolte als ein Johnny Cash), Sabine Schwarzlose als June und Roland Heinrich u.a. als Jimmy Rodgers. Wer die Songs von Johnny Cash nicht kannte, hat hier die Gelegenheit, sie kennenzulernen, wer sie liebt, kann sie wiederhören, und wem sie nicht lagen, der wird unter Umständen seine Meinung revidieren.

Die Aufführung hatte bisher großen Erfolg im Kleinen Theater am Südwestkorso, auch heute, an einem Donnerstagabend, ist es zu Dreivierteln gefüllt, mit Fans (man sieht abenteuerliche Cowboyhüte), aber auch mit dem üblichen älteren Friedenauer Publikum. Allen hat's gut gefallen, sie spendeten reichlich Beifall, und es gab noch ein paar musikalische Zugaben.

Sigrid Wiegand

Weitere Gelegenheiten, "The Beast in Me" zu sehen:
13.,14.,15. Oktober, jeweils 20 Uhr
Kartentelefon: 030/821 20 21

Oktober 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis