Ein Tabuthema nicht nur für Heteros
Schwule und Lesben in Schöneberg - Was ist, wenn das Alter kommt?


Foto: Marcel Steger

Neulich war ich nach einigen Jahren Unterbrechung mal wieder auf dem schwullesbischen Straßenfest, das alljährlich, eine Woche vor der großen Demonstration zum Christopher Street Day - rund um den Schöneberger Nollendorfkiez - stattfindet.
Die dort zelebrierte Partystimmung hatte sich - so erschien es mir zumindest - im Vergleich zu früher noch gesteigert und an Besuchern mangelte es dem Fest auch nicht. Wie schon in den anderen Jahren, waren all die supercool, modisch extravagant angezogenen und zumindest jugendlich wirkenden Menschen in der Überzahl und wirklich schön anzusehen.
Je länger ich mich aber mit ihnen treiben ließ, hatten sie auch zu-nehmend etwas Unwirkliches, sodass ich fast erfreut war, als ich vor dem Informationsstand von Village e. V. landete, deren Ziel es ist, entgegen dem - nicht nur in der schwullesbischen Gemeinschaft - verbreiteten Jugendwahn für die mit dem Altern verbundenen Probleme zu sensibilisieren und auch aktiv an deren Lösung zu arbeiten. Nach einem längeren Gespräch mit ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern konnte ich feststellen, dass auch in einer Stadt, die unter der Regie eines lebenslustigen Bürgermeisters von einem Event zum nächsten hechtet, offensichtlich das Nachdenken, Innehalten und Besinnen doch noch nicht ganz aus der Mode gekommen ist.

Der Verein, der sich bisher ausschließlich aus Spenden finanziert, hat sich im Jahre 2001 gegründet und seitdem zur Aufgabe gemacht, die Lebenssituation und Alltagsrealität von älteren Lesben und Schwulen zu verstehen und zu verbessern. Im Rahmen der Vereinsarbeit existieren vier Arbeitsgruppen, deren Ziel es ist, für Lesben und Schwule, unter Berücksichtigung der individuellen Lebensentwürfe, ein diskriminierungsfreies Altern innerhalb der schwullesbischen Gemeinschaft sowie eine Integration in die Gesellschaft zu erreichen.
Hierfür wurde u. a. ein Kriterienkatalog für die Pflege im Alter entwickelt, der vermittelt, was in der Pflege von Lesben und Schwulen anders bzw. besonders ist und in der heutigen Pflegeausbildung noch nicht berücksichtigt wird.
Bei der darüber hinaus aktiven politischen Arbeit will der Verein darauf aufmerksam machen, dass das Leben von alten Lesben und Schwulen - neben den heutigen Bildern einer sehr freien und bunten schwullesbischen Welt - immer noch von Angst vor Diskriminierung und Isolation im Alltag geprägt ist.
Um dieser Angst und Isolation entgegenzuwirken, entschloss sich Village e. V. - nach dreijähriger er-folgloser Investorensuche - nun selbst zur Umsetzung eines Wohnprojektes für lesbische und schwule Senior/innen. Das dafür geplante Haus wird sich in fußläufiger Nähe zum bei Lesben und Schwulen so beliebten Nollendorfkiez, befinden.

Das "Village-Haus", dessen Konzept bereits entwickelt und dessen Baubeginn für 2007 geplant ist, richtet sich primär an die Generation 50 plus (Jüngere sind natürlich auch willkommen) und bietet für Lesben und Schwule eine völlig neue Art von Wohnen und Leben im Alter oder in der Pflegebedürftigkeit.
Ein zentraler Aspekt ist dabei die veränderte Kommunikation sowohl innerhalb des Hauses, als auch der Kontakt nach außen. Neben den Möglichkeiten zum Rückzug in die individuelle Privatsphäre wird auch besonderer Wert auf die Schaffung von Raum für die Begegnung mit anderen Bewohnern und Menschen, die das Haus für unterschiedliche Funktionen nutzen wollen, gelegt. So soll das angegliederte Gesundheitszentrum nicht nur der Versorgung der Bewohner/innen, sondern auch der Bevölkerung des umliegenden Kiezes und der gesamten schwullesbischen Gemeinschaft dienen. Eine Kneipe und ein Cafe, die zum Teil von den Bewohnern selbst verwaltet und geführt werden sollen, bilden einen weiteren Garant dafür, dass sich das Haus nach außen öffnet und langfristig einen besseren Kontakt der verschiedenen Generationen in der schwullesbischen Gemeinschaft sichern kann.

Um das "Generationenhaus" auch im geplanten Zeitraum bauen zu können, sucht Village e. V. mit Hilfe eines Spendenaufrufs unter dem Motto: "1 qm für Village e. V." noch weitere Lesben und Schwule, die Lust auf gemeinschaftliches Wohnen im Alter haben. Der Spendenaufruf wird zur Zeit mit Hilfe eines Flyers, der neben einem Grußwort des Regierenden Bürgermeisters auch projektbezogene Informationen enthält, in Umlauf gebracht.
Da die Sponsorensuche bisher nicht erfolgreich war, kann der Verein erst mit dem Bau beginnen, wenn für die Wohnungen bereits im Vorfeld Interessenten gefunden wurden.

Wenn Sie den Verein auch mal von seiner "sinnlichen" Seite kennen lernen möchten und Sie vielleicht auch zu den tanzbegeisterten Berlinern gehören, bietet sich Ihnen am 16. September eine wunderbare Gelegenheit dazu. Dann wird nämlich von Village e. V. wieder zum jährlich stattfindenden "Rosenball" ins Pinellodrom in der Dominikusstraße 5-9 eingeladen. Um hier ein Plätzchen ergattern zu können, sollten Sie sich allerdings schnell entscheiden, da der Ball im letzten Jahr bereits einige Tage im voraus ausgebucht war.

Wenn ich Ihr Interesse geweckt habe, finden sie unter www.village-ev.de. nähere Informationen zum Wohnprojekt, der Arbeit des Vereins sowie zum Rosenball. Viel Spaß beim lesen.

Veronika Schneider

Village e.V.
M57 Bürogemeinschaft
Mehringdamm 57
10961 Berlin
Tel. 030/39 40 88 52
Mail: info@village-ev.de

September 2006  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis