Orte und Plätze in Schöneberg
Die General-Pape-Straße

Ostern, Zeit der Frühlingsspaziergänge und des Eierversteckens. Waren Sie schon mal in der General-Pape-Straße? Kein idealer Ort für solche Aktivitäten, aber das soll sich ändern. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg will das Umfeld des neuen Bahnhofs Südkreuz aufwerten und hat dafür Fördermittel aus dem Programm "Stadtumbau West" bewilligt bekommen. Ein "Geschichtsparcours" wird ein erster Schritt sein, das Gelände zwischen General-Pape-Straße, Loewenhardtdamm und Gontermannstraße attraktiver zu gestalten und dem Besucher die spannende Vergangenheit dieser Ecke zu darzustellen.
Eine Broschüre, die den zukünftigen Rundweg beschreibt, ist kostenlos bei den Bürgerämtern erhältlich. Wie schon bei vorangegangenen Veröffentlichungen der Bezirksverwaltung wird der Leser sehr fundiert über die Geschichte informiert. Ich erfahre, dass hier ein bedeutender Militärstandort war: Die ersten Manöver wurden schon 1722 abgehalten, zur Regierungszeit des "Soldatenkönigs" Friedrich Wilhelm I. Die Tempelhofer Bauern erhielten damals eine jährliche Entschädigung für die entstandenen Flurschäden. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde hier eine Rennbahn errichtet, wo Kavalleriepferde ausgebildet wurden.
Später stationierte Truppen wie Landwehrinspektion, Eisenbahnregimenter, eine Kraftfahr-Abteilung und die Militärluftschiffer lassen die technische Entwicklung der Kriegsführung erahnen. Die Militärluftschiffer ließen hier ab 1885 ihre Ballone steigen. Der Erste startete allerdings nicht hier, sondern am Gasthof "Schwarzer Adler" am heutigen Kaiser-Wilhelm-Platz. Eisenbahnregimenter waren nicht nur die militärischen Nutzer der Bahn, sondern wirkten auch beim Bau von Bahnlinien mit. Von hier aus wurden die Truppen in die damaligen Kolonien geschickt:
1897 nach Deutsch-Südwestafrika und 1900 nach China. Zur gleichen Zeit wurden die Kasernengebäude errichtet. Bauinspektor Böhmer wird als Entwurfsverfasser genannt. Mitten in der Zeit des Historismus wählte man einen Neorenaissance-Baustil. Die bis dahin namenlose Straße wurde während der Bauzeit (1897) auf kaiserlichen Erlass nach einem Generalmajor des deutsch-französischen Krieges benannt: General-Pape-Straße.

Nach dem Ersten Weltkrieg waren diese Einrichtungen größtenteils überflüssig, andere Nutzer zogen auf das Gelände. Die Kleingärten bestanden schon seit 1915, weil Selbstversorgung zur Existenzsicherung gehörte. In den Gebäuden fanden Behörden wie das Versorgungsamt und Flüchtlingsunterkünfte ihren Platz. Eine Autowerkstatt und ein Hersteller für Schreibmaschinenteile zogen zu. Dieser Prozess ging nach dem Zweiten Weltkrieg weiter. Die Wilhelm-Foerster-Sternwarte fand ein vorübergehendes Quartier im ehemaligen Offizierskasino. Senatsreserven wurden hier eingelagert. Heute sind nur noch wenige alte Kasernengebäude erhalten und stehen selbstverständlich unter Denkmalschutz

Nun der "Praxistest", ich begebe mich auf die Tour des geplanten "Geschichtsparcours". Etwas abweichend von der vorgegebenen Nummerierung beginne ich meine Spurensuche am Bahnhof Südkreuz. Der Bürgersteig ist schmal, Absperrungen für Bauarbeiten lassen jedoch auf eine Neugestaltung hoffen. Ich folge der General-Pape-Straße nach Norden. Immer wieder kommen Einfahrten zu den Gewerbehöfen. Reger Betrieb ist zu erkennen. Die Mischung aus Designer-Tischlerei, Metalldesign-Firma sowie Aalräucherei lässt auf einen funktionierenden Standort schließen. Sogar eine Hundeschule hat sich etabliert.

Besonders erwähnenswert ist das "Weingewölbe Berlin": Diese Weinhandlung zog Ende der achtziger Jahre aus Charlottenburg hierher. Im Untergeschoss eines alten Kasernengebäudes wurden Weinprobierstuben eingerichtet, die temporär den Kunden offen stehen. In Räumen mit preußischen Kappendecken (=spezielle Deckenart aus Eisen-trägern und Mauerwerk mit gewölbten Feldern, wie auf den alten U-Bahnhöfen) entsteht eine gemütliche Atmosphäre, die an Kellereien in Weinanbaugebieten erinnert. Bei einer Weinprobe (=spezielle Art, die Zunge zu schulen und sich in Urlaubsstimmung zu versetzen) kann man das Sortiment kennen lernen. Vor der Tür sind einige Ausstellungstücke aus der Zeit zu besichtigen, als das Keltern noch Handarbeit war.
Dann kommen die Kleingartenkolonien. Wie grüne "Lückenfüller" oder "Platzhalter" erstrecken sie sich zwischen der vorhandenen Bebauung. An der liebevollen Gestaltung der Gärten erkennt man, dass die Nutzer an ihrer Scholle hängen. Aber was mache ich hier? Wollte ich nicht ein bisschen geschichtliche Spurensuche betreiben? Na, die Erläuterungen am Wegesrand sollen ja noch kommen... Ich bin an der Nordspitze des Areals, fast an der Kolonnenbrücke, angekommen.

Den Groß- oder Schwerbelastungskörper habe ich schon seit Jahren von der S-Bahn aus gesehen. So dicht war ich aber noch nie ´dran. Er besteht aus massivem Beton. Ähnlich wie eine Insel, deren Ufer genauso stark bis zum Meeresgrund abfällt wie sie sich über dem Meeresspiegel erhebt, soll der 14 m hohe urtümliche Klotz mit einem Durchmesser von 21 Metern noch 18 m tief ins Erdreich reichen. Wozu wurde er errichtet? Im Auftrag der Generalbauinspektion wurde 1941 die Belastbarkeit des Baugrundes an dieser Stelle getestet. Ein steinerner Triumphbogen sollte nach dem „Endsieg“ an dieser Stelle folgen. Bekanntlich wurde daraus nichts, doch nichts hält so lange wie ein Provisorium, auch nach dem Krieg wurde der Körper für Testzwecke genutzt. (Für die Bauinteressierten: Die Gründungsart eines Bauwerks ist abhängig vom vorhandenen Untergrund. Unser märkischer Sand ist besser als Sumpf, aber nicht so tragfähig wie Fels. Die umfangreichen Tabellenwerke, die es für die Berechnungen der Ingenieure gibt, sind nicht nur das Ergebnis von Modellversuchen, sondern wurden auch in der Praxis entwickelt.) Nun steht der Schwerbelastungskörper eingerüstet da, weil eine Aussichtsplattform errichtet wird. Der Verein "Berliner Unterwelten" wird hier mitwirken, den Geschichtsschauplatz zu gestalten.

Den großen städtebaulichen Bruch erlebt man, wenn der Weg auf der östlichen Seite des Areals fortgesetzt wird. Der Loewenhardtdamm und die Gontermannstraße sind ruhige Wohnstraßen. "Das Exerzierfeld wird zur ‘Gartenstadt’ heißt es dazu in der Broschüre, und die Geschichte der Bebauung des Tempelhofer Feldes wird beschrieben. Weiter geht es in die letzte Kurve zum Werner-Voß-Damm 54a. In diesem Kasernengebäude unterhielt die sogenannte "SA-Feldpolizei" von März bis Dezember 1933 ein Gefängnis. Ca. 2000 Menschen wurden hier inhaftiert, viele Häftlinge gefoltert, einige sogar ermordet. Eine Gedenktafel soll daran erinnern. Die Tafel ist zugeparkt. Vielleicht wird bei der Neugestaltung der Interessenskonflikt - erforderliche Kfz-Stellplätze - Gedenken an die NS-Zeit - glücklicher gelöst.

Fazit: Das Gesehene und Erlebte auf meinem Rundgang verstärkte nicht in allen Punkten meine Vorstellung von dem, was ich vorher gelesen habe. Überhaupt habe ich mich als Fußgängerin abschnittsweise wie ein Exot gefühlt. Aber das Einladende soll ja noch kommen. Als geschichtsinteressierte Schönebergerin würde ich mich sehr freuen, wenn das Projekt so erfolgreich umgesetzt wird, dass der Parcours ein Anziehungspunkt wird, der über die Bezirksgrenzen hinweg die Besucher anzieht.

Marina Naujoks

.
April 2007  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis