Ausstellung im Rathaus Schöneberg
Spur der Stolpersteine

Gemeint sind die kleinen, vergoldeten Vierecke vor Häusern, in denen jüdische Mitbürger wohnten, von den Nazis abgeholt, in Konzentrationslager deportiert und dort zumeist ermordet wurden. Von diesen Steinen gibt es in Berlin etwa 1.400.
Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hält die Erinnerung an diese Massaker seit langem fest: durch die Intervall-Ausstellung „Wir waren Nachbarn“, die jetzt zum dritten Mal gezeigt wird und 109 interessante Biografien prominenter und weniger prominenter Verfolgter präsentiert. Geöffnet montags bis donnerstags 10 - 18 Uhr, sonnabends / sonntags 10 -17 Uhr. Eintritt frei. Immerhin lebten in Schöneberg 1933 etwa 16 000 jüdische Mitbürger; 10 000 konnten fliehen, die anderen wurden fast alle umgebracht.

frag doch!

Dieser Verein für Begegnung und Erinnerung, 2005 gegründet, fördert die Maßnahmen der Ausstellung.
Er zählt etwa 30 Mitglieder (Jahresbeitrag 36 Euro, ermäßigt 12 Euro). Anschrift: Dr. Jochen Thron, Schnackenburgstr. 6, 12159 Berlin, Tel. 30 81 72 12.

Um auf die Stolpersteine zurückzukommen: Der Preis pro Stein mit Verlegen ist ca. 100 Euro. Wer einen solchen Stein einsetzen lassen oder spenden möchte, erhält weitere Auskunft bei der Koordinierungsstelle "Stolpersteine"; Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstr. 13-14, 10785 Berlin, Tel. 26 99 50 00

Die jüdische Schweiz

So nannte man früher einmal die Gegend des Bayerischen Viertels, eine "bessere" Wohnlage, in die es vor allem den Mittelstand zog. Dieser Platz war zudem ein bedeutendes Geschäftszentrum sowie ein Zentrum kultureller Vereinigungen.
Auch entwickelte sich die "Normalität des Schreckens" nach 1933 auf brutale Weise, sie traf auf eine von der Regierung gezielt verordnete Bewußtseinslähmung, die das Desinteresse der meisten Deutschen an der Judenverfolgung begründet.

Waren die ersten Maßnahmen noch "harmlos", so steigerten sie sich bald immer stärker in eine Hysterie, der kein jüdischer Nachbar entkam. Typisch ist auch die Enteignung von Wohnungen, Häusern, Grundbesitz; Juden wurden aus ihrem Zuhause vertrieben und in sogenannten "Judenhäusern" zusammengepfercht. 21% dieser Häuser standen im Bayerischen Viertel.

Diese Zwangsräumung erfreute vor allem den Regierungsbaumeister Speer, der für die größenwahnsinnige Planung der Hauptstadt "Germania" Abrisse im Weg stehender Häuserzeilen forderte und ihren Bewohnern dafür die geräumten Judenwohnungen anbot.

Natürlich war auch die Synagoge in der Münchener Straße betroffen. Sie wurde zur Sammelstelle degradiert, in der die jüdische Bevölkerung Radios, Fahrräder und anderes abzugeben hatte. Nach Verschärfung der 1941 einsetzenden Massen-Deportationen mussten die -zynisch- "Abwanderer" Genannten sogar dort ihr Reisegepäck abliefern:
Diese Geschichte des Bayerischen Viertels spiegelt sich heute eindrucksvoll in der "Denkinstallation": 80 Bild-Texttafeln an Masten am Straßenrand, die Zeugnis von den damaligen Schikanen ablegen, z. B. "Kuchen darf nicht an Juden und Polen verkauft werden."

In dem Buch "Orte des Erinnerns" über Berliner Juden von 1933 bis 1945 sind diese Tafeln abgebildet (Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung).
Ein umfassendes Bild zeichnet auch das Buch "Jüdisches Alltagsleben im Bayerischen Viertel", eine Dokumentation von Kunstamt Schöneberg, Schöneberger Museum in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz (Edition Hentrich).

Zeitzeugen gesucht

Die Ausstellung umfasst übrigens auch ein großes Archiv, in dem Berichte über Orte, Ereignisse und Personen gesammelt sind. Hier sind Bürger gefragt, die noch ihre Erinnerungen an das Vergessen festhalten möchten - eine notwendige Ergänzung des Gezeigten, denn die Grauen der Nazizeit sollen ja unvergessen und dokumentiert bleiben.

Wer als Zeitzeuge dazu beitragen kann, ist in der Ausstellung willkommen.
Auch besteht die Möglichkeit, Fragen zu hinterlassen: Gern werden sie beantwortet oder weitergeleitet .

Geteilte Erinnerungen

So heißt ein eindrucksvolles Video, das vier jüdische, vormals Schöneberger Nachbarn gedenkt. Es wird zu jeder vollen Stunde gezeigt

Günter Arnold

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April 2007  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis