Premiere im Kleinen Theater am Südwestkorso
David Auburn: Der Beweis
Regie: Karin Bares

"Mathematik ist Eros, alles vereinnahmender Eros" - dieser Ausspruch im Nachruf auf den jüngst verstorbenen Wissenschaftler Hans-Jürgen Treder wird im Programmheft zur Premiere des Stücks "Der Beweis" im Kleinen Theater am Südwestkorso zitiert, in einem Abriss aus dem Leben eines von seinem Genie zerstörten Menschen.

Im Stück geht es um die Tochter eines gerade verstorbenen, einst genialen Mathematikers. Ist auch sie ein Genie? Aufgerieben von der jahrelangen Pflege des geliebten Vaters, den die obzessive Beschäftigung mit seiner Wissenschaft buchstäblich um den Verstand gebracht hatte, lebt Catherine scheu und zurückgezogen in der einstmals gemeinsamen Wohnung, sucht sich in ihrem veränderten Leben zurecht zu finden, sich von ihrem Vater abzunabeln, mit dem sie sich gelegentlich auseinandersetzt, so als säße er noch im Schaukelstuhl auf der kleinen Terrasse - wir sehen ihn mit ihren Augen. Ist auch sie, die ihm ihr Studium geopfert hat, psychisch instabil? Oder ist es der Weg eines sensiblen, hochbegabten Menschen, sich auf diese Weise von einem zuende gegangenen Lebensabschnitt zu verabschieden?

Ihre Schwester Claire macht sich Sorgen um sie. In ihrer resoluten Art besteht sie darauf, die Zögernde mit nach New York zu nehmen, und dort ein neues Leben zu beginnen. Es ist nicht nur ihr Misstrauen, das sie an der seelischen Gesundheit ihrer Schwester zweifeln lässt. Catherine verharrt in depressiver Untätigkeit, spricht ungeschützt über alles, was ihr durch den Kopf geht, manches ist widersprüchlich, scheint verdächtig, auch der Zuschauer beginnt zu zweifeln: gibt es Hal, den ehemaligen Studenten des Verstorbenen tatsächlich, der angeblich vorbeigekommen ist, um in den Unterlagen des Wissenschaftlers nach Notizen und Unterlagen für seine Dissertation zu suchen, oder existiert er nur in ihrer Phantasie wie der Vater im Schaukelstuhl? Doch dann bahnt sich eine Liebesgeschichte zwischen den beiden an, die Catherine wieder Boden unter die Füße gibt, und der Zuschauer beginnt aufzuatmen. Zu früh, wie sich zeigt: Bei seiner Suche stößt Hal auf einen spektakulären mathematischen Beweis, von dem Catherine behauptet, er sei von ihr. Für Claire ist das der Beweis, dass ihre Schwester nun auch durchdreht, und auch Hal zweifelt - Grund genug für sie, sich wieder in die Depression zu flüchten und dem Drängen ihrer Schwester nachzugeben.

Es geht also um Vertrauen, das man braucht, um sich auf andere und auf das Leben einzulassen. Sabine Falkenberg versteht es, den schwebenden Zustand der unentschlossenen Catherine glaubwürdig darzustellen. Hatten wir sie in "Marilyn Monroes letztes Band" körperlich sehr präsent erlebt, kann sie hier die Selbstzweifel einer verunsicherten, genialen Frau in der Krise sehr nachvollziehbar verkörpern.
In den weiteren Rollen: Rüdiger Kuhlbrodt als Vater, Benjamin Plath als der Doktorand Hal und Susanne Menner als Claire.

Die dichte Inszenierung hält den Zuschauer etwa anderthalb Stunden in Atem mit der Frage: wie wird es ausgehen? - um am Ende vom Stück selbst mit einem Hauruck-Happyend etwas im Stich gelassen zu werden. Nichtsdestotrotz eine interessante Aufführung eines in großen Teilen differenzierten Stücks. Viel Beifall.

Sigrid Wiegand

Weitere Termine:
4., 13., 14., 18., 20. April 2007, jeweils 20 Uhr
Kartentelefon: 821 20 21

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