Flammheimlich
Das Nachbarschaftsheim Neukölln
präsentierte am 1. März das ‚Theater der Erfahrungen' mit einer
Premiere. Die ‚Bunten Zellen', eine deutsch-türkische Seniorengruppe,
zeigte ihr neues Stück "Flammheimlich - Ates Gibi Gizli".
‚Es brennt die Luft', japst die alte Fr.
Kriegeleit in ihrem Lockenwicklerlook unter der Frisörhaube und damit hat
sie mehr als Recht. Denn seitdem es im Haus gebrannt hat, stehen nicht nur
der Keller unter Wasser sondern sämtliche Mitbewohner Kopf. Missgunst,
Neid und Bosheit breiten sich aus, lustvoll präsentiert in Gestalt von
bösen Geistern, die sowohl in der Mülltonne als auch in Schränken,
Briefkästen, Radios, Zimmerpflanzen und Bilderrahmen hausen und ihrer
Häme freien Lauf lassen.
Geister wie Mieter treiben ihr tückisches Spiel mit üblen
Verdächtigungen aller Art, die sich letztlich gegen den jungen Ismail
richten. Auch seine Familie ist nicht frei von gehässigen
Einflüsterungen - wie ein Rap der Palmen unschwer erkennen lässt. Ein
deutsch-türkisches Spektakel mit viel Musik, bösem Humor und dem dennoch
bitter nötigen Happy-End!
"Flammheimlich" hatte als ‚Urfassung'
2003 Premiere. Doch die Grauen Zellen sind mittlerweile ‚bunt' geworden
und so machten wir uns an eine Neubearbeitung, -besetzung und
-inszenierung. Wenn es doch nicht so
eng wäre und unsere Taschen (Marke: Trödelmarkt) nicht so riesig! Diese
karierten Dinger, aus denen ansonsten in Verkaufsbuden die Sockenbündel
quellen, sind bei uns Kostüm- und Requisiten-Taschen. Wir spielen
nämlich sparsam. Fast alle Darsteller tragen die Kulissen am Leibe, so
sind z. B. Ruth und Inge Küchenschränke, Marie-Luise ist ein
Kellergatter und eine Frisierhaube und Cemal ein Küchenradio.
Also hinter den schwarzen Bühnenvorhängen drängeln sich eine halbe
Stunde vor dem "Anpfiff" dreizehn Darsteller mit ihrem opulenten
Gepäck und zwei Musiker mit ihren Akkordeons, die ja auch nicht in eine
Handtasche passen. Steiß an Steiß wird ausgepackt, alles auf Stühlen
oder darunter bereit gelegt, irgendwann wird Inge sich durch das Gedränge
kämpfen und ihre groß beschrifteten Zettel anheften: Auftrittsablauf. Zu
lesen auch ohne Brille. Ein bißchen gereizt ist die Stimmung schon:
"Kannste diesen blöden Eimer nicht woanders hinstellen?!"
"Nee kann ick nich, ich brauch den ja gleich" Nun rollt Durmusch
mit seinen Augen und spricht ein "Machtwort": "Wenn ich
sage, sie kann, dann kann sie auch!" Nur die Eimer-Fraktion kann erst
einmal nicht lachen.
Endlich ist es soweit, die Akkordeons
eröffnen den Abend. Harald und Marianne spielen so etwas wie eine
Erkennungsmelodie "Theater, Theater der Vorhang geht auf, nun wird
die Bühne zur Welt..."Hinter der Bühne werden trotz Enge Hüften
geschwenkt, wir sehen uns aufmunterd an..
Durmusch und Niyazi werden nun in ihr erstes Kostüm bugsiert. Sie geben
gleich einen Briefkasten im Flur der Neuköllner Mietshauses, in dem es
gebrannt hat. Eine Schlüsselszene, in der geschnüffelt verdächtigt
wird. Durmusch und Niyazi, unsere beiden türkischen und zudem recht
stämmigen Männer, steigen in ein Gewand, das bei einem an der linken
beim anderen an der rechten Schulter mit Bändchen festgezurrt wird. Dann
stülpen wir ihnen noch die hohen Geisterperrücken auf ihre dicken
Schädel. Kurzes Warten auf den ersten Szenenwechsel. Nun aber raus! Die
Zuschauer johlen über diese mollige "Kulisse", und hinter der
Bühne gehen alle Darsteller auf wie Brauseflaschen. "Wir haben ein
tolles Publikum!"
Marie-Luise, die sich gerade als Mülltonne
verkleidet, Atiye und Mihican, die noch mal den Text durchgehen, lassen
alles fallen und umarmen sich vor Freude.
Kichernd kommen Durmusch und Niyazi von der Bühne getippelt, nun muss es
aber schnell Durmusch muss nach dem Lied, das Ruth als Hauswartsfrau
gerade singt - "Ich bin hier die Dedektivin..." als Monteur
raus. Mist! Die Knoten an ihrem Briefkasten-Gewand gehen nicht auf. Wir
zerren an den beiden rum. Schnell ! Ruth ist schon der letzten Strophe! Da
gelingt es Niyazi, sich zu befreien, und fix hat sich auch Durmusch raus
gewunden. Uff der Anschluß klappt.
Und so wird es die nächsten 50 Minuten
weitergehen, schnelle Auf- und Abgänge, dazwischen immer mal wieder eine
Karambolage in der Gasse, zum Beispiel, wenn Marie-Luise mit ihrem Gatter
nicht durchkommt, weil ein "Monteur" im Weg steht oder der
barocke Bilderrahmen umgerissen wird.
Verdammt, wo ist Durmusch? Eben hat er doch mit Niyazi geschunkelt, weil
"draußen" Inge ihren Schlager trällert "Nur nicht aus
Liebe weinen..." Da taucht er auf, er hat unterm dem Stuhl seine
vielen Sachen für's Finale hoch geholt. "Durmusch, kleb` mir bitte
den Schnurbart an. Der Spielerin, die gleich einen Altberliner Friseur als
"Scharnier" in der Aha-Szene geben wird, wird unter Durmusch
sanften Drapierkünsten zum Manne, über den er allerdings nur kichern
kann.
Endlich alle raus zum Finale. Das Publikum jubelt. Bravo-Rufe! Und wir
strahlen alle glücklich wie Kinder unter`m Weihnachtsbaum.
Karin Fischer
Mitspielerin der "Bunten Zellen"
Nächste Aufführung:
18. April 2007, 15.00 Uhr
Rathaus Spandau
Carl-Schurz-Str. 2-6, 13597 B.
.
April 2007 Stadtteilzeitung
< Inhaltsverzeichnis
|