Eine Frau mit vielen Fähigkeiten

Christa Moog - Die Reisende im Hotel

Schon oft konnten wir in den vergangenen zwei Jahren von Filmvorführungen, Lesungen, Musikveranstaltungen und Kunstausstellungen im Hotel Friedenau berichten. Die hart arbeitende Seele des Hauses ist Christa Moog: Eine Frau mit vielen Fähigkeiten. Neugierig wird man spätestens dann, wenn man erfährt, dass Christa Moog auch Schriftstellerin ist. Aber beginnen wir ganz klassisch.

Geboren in Schmalkalden in Thüringen, studierte sie nach dem Abitur Germanistik und Sport, arbeitete danach als Lehrerin, bald aber nahm sie Aushilfstätigkeiten als Kellnerin, Verkäuferin und sogar Reinigungskraft an. Könnte dieser berufliche Absturz mit den Geschichten zusammenhängen, die sie damals zu schreiben begann? Diese schonungslose, gleichzeitig aber so gleichmütig erzählte Darstellung des Elends kleiner Leute war im Arbeiter- und Bauernstaat sicher nicht gern gesehen. Oder gar diese Sätze, aus dem Mund Jugendlicher: "Der Strand machte aber ´n guten Eindruck. Schön breit, und die Strandkörbe alle offen, ich meine, ohne Gitter, die man erst aufbrechen musste." (aus: Ein Abendessen am Meer). Wo bleibt der Sieg über den Kapitalismus? Christa Moog erzählt aus dem harten, tristen Dasein von Serviererinnen, Putzfrauen, Arbeitern an den Stahlöfen - zwischen Ausbeutung und menschlicher Brutalität lavierende Menschen, die irgendwo noch einen Funken Lebensglück zu erhaschen suchen. Auch in der sozialistischen Idealwelt gibt es Suff, Verwahrlosung und Selbstmord. Dazu die allgegenwärtige Bespitzelung - wem kann man noch trauen? Erst recht nach dem Ausreiseantrag. Nach drei Jahren des Wartens reiste Christa Moog 1984 aus - mit einem Koffer, einem Fahrrad und ohne Geld. So waren die Gesetze. Was kostet die Freiheit? 

1986 erhielt die Autorin für die Kurzgeschichtensammlung "Die Fans von Union" den Förderpreis des Marburger Literaturpreises. Ein Arbeitsstipendium des Berliner Literarischen Colloquiums ermöglichte ihr die Verwirklichung eines Traumes: Christa Moog reiste auf den Spuren der neuseeländischen Schriftstellerin Katherine Mansfield (1888 - 1923) nach Paris, London, Italien und Neuseeland. Das kurze, atemlose Leben dieser unkonventionellen Frau spiegelt sich in "Aus tausend grünen Spiegeln" (rororo, 1988). Es ist, als habe die Neuseeländerin ihrer jungen Kollegin beim Schreiben über die Schulter geblickt und ihr die Worte eingegeben. Und gleichzeitig vermag Christa Moog auch ihr eigenes Leben hineinzubringen. So entstand ein faszinierender Briefroman halbdokumentarischer Art, für den selbst Marcel Reich-Ranicki in seiner Laudatio keine Schublade fand, als Christa Moog 1988 den aspekte-Literaturpreis des ZDF erhielt. So hätte es immer weiter gehen können, doch dann die romantische Schriftstellerfalle: Ziehe dich in die Einsamkeit der Wälder zurück, und du wirst Großes vollbringen! Wer denkt da schon an zwei Kinder und die alltäglichen Schwierigkeiten, die das abgeschiedene Leben in Schweden mit sich bringen?

Kreativität hat eigene Gesetze und lässt sich schlecht in eine halbe Stunde Schreibzeit hier und da pressen. Mangels Rückendeckung, wie sie schöpferische Männer für sich reklamieren, und ohne Freiräume konnte Christa Moog nicht arbeiten. Sie kehrte nach Berlin zurück, und da sie durch ihren Mann in Schweden ein wenig Erfahrung im Hotelwesen gemacht hatte, pachtete sie das Hotel Friedenau, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Das Schreiben fehlt ihr, daher die kulturelle Vielfalt im Hotel. Aber wer weiß schon, was noch kommt?

Sanna v. Zedlitz

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Februar 2007  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis