Eine leider wahre Geschichte

Albtraum Alltag
Oder: Sind auch Sie Mitglied der Flaschenmafia?

Wenn die Geschichte nicht wahr wäre und Frau Kola (Name geändert) sie nicht hätte erleiden müssen, wäre Frau Kola wahrscheinlich besser aufgelegt. Sie würde ihre gesammelten Pfandflaschen beim nächsten Supermarkt abgeben und ungetrübt der Auszahlung des Pfandgeldes entgegensehen.

Im August letzten Jahres geriet Frau Kola jedoch in den Verdacht organisierter Kriminalität. Der eiserne Filialleiter eines Berliner Supermarktes witterte Unrecht, als Frau Kola den elektrischen Pfandautomaten mit etwa 10 Flaschen befüllte. Kaum dass der Automat die Annahme einiger Flaschen verweigerte, stand der Sachverhalt für den Filialleiter fest: Flaschenmafia! So mochte unser Filialleiter gedacht haben. Organisierter Etikettenschwindel! 
Nun wurde schnell gehandelt. Frau Kola solle nach hinten in das Büro kommen. Sie sollte unterschreiben, dass sie den Betrug zugebe. Ein Jahr Hausverbot plus 25 Euro Fangprämie. Frau Kola wollte in ihrem Schauder nur noch nach Hause.

Da es sich bei den Methoden von Frau Kola doch um die Spitze des Eisbergs, nur um einen Arm der vielärmigen Krake der Flaschen-Cosa-Nostra handelte, rief der Filialleiter die Polizei. Hintermänner müssen gefasst, Flaschen beschlagnahmt, Beweismittel gesichert, Tatwerkzeuge unbrauchbar gemacht werden. Tatsächlich, die Polizisten ließen sich von dem Filialleiter erweichen und nahmen Frau Kola fest. Der Filialleiter verstand es gut, die Polizeibeamten von einer Gefährlichkeit Frau Kolas zu überzeugen. Zu gut. Es schien den Polizisten wegen Gefahr im Verzug nunmehr verhältnismäßig, eine sofortige Wohnungsdurchsuchung durchzuführen. Die Wohnungsdurchsuchung sollte dem Auffinden weiterer Beweismittel dienen.

Doch die Suche nach einem illegalen Flaschenlager und Etikettenfälschungsmaschinen verlief ohne Erfolg: Man war in der Wohnung von Frau Kola. Es folgten polizeiliche erkennungsdienstliche Maßnahmen, es wurden Fingerabdrücke von Frau Kola erstellt, die Festnahme beendet, der Nachweis einer Schuld nicht geführt.

Frau Kola war vor ihrem Supermarktbesuch beim Arzt gewesen. Er hatte die Diagnose Hautkrebs gestellt. Sie benötigte an jenem Tag ihre Kraft ausschließlich dafür, um gegen den Schock der Diagnose zu kämpfen. Nach ihrem Befinden hat sie niemand gefragt.

Wolfgang Kotsch
Rechtsanwalt und Strafverteidiger
www.kanzlei-kotsch.de

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Februar 2007  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis