Alte und neue Beginenkultur
Beginen - moderne Frauen im Mittelalter

Leben und arbeiten in einer demokratisch organisierten Gemeinschaft, mit finanzieller Absicherung, dabei nur zeitlich begrenzte Verpflichtungen eingehen - das klingt wie eine sehr moderne Wohngemeinschaft. Doch die Idee ist keineswegs neu, diese Lebensform wurde von den sogenannten Beginen bereits im Mittelalter praktiziert. 

Die ersten Gemeinschaften entstanden im 12. Jahrhundert in Belgien. Unverheiratete Frauen und Witwen schlossen sich zu religiösen Gemeinschaften zusammen, die nicht einem Orden unterstanden. Sowohl adelige Frauen mit Vermögen als auch Frauen aus einfachen Ständen gründeten Wohngemeinschaften in - oft klosterähnlichen - Anwesen, den Beginenhöfen. In Flandern sind etliche dieser Höfe erhalten geblieben, einige stehen auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO. 

Von Flandern aus breitete sich diese Frauenbewegung über ganz Westeuropa aus. Für alleinstehende Frauen gab es damals nicht viele Lebenskonzepte: Entweder sie blieben in ihren Familien oder sie gingen in ein Kloster, brachten dort ihre Besitztümer ein und verpflichteten sich auf Lebenszeit zu einem Leben in Armut und Keuschheit. Die Beginenhöfe boten eine attraktive Alternative, hier konnten die Frauen in einer religiös orientierten Gesellschaft leben, mit weltlicher Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen, sie waren abgesichert durch Vermö-gensgrundlagen, die von den reicheren Mitbewohnerinnen gestiftet worden waren, und sie verpflichteten sich jeweils nur für ein Jahr. Danach konnten sie den Vertrag entweder erneuern oder unter Mitnahme ihres Vermögens z.B. heiraten und ein bürgerliches Leben führen. Ebenfalls auf Zeit wurde aus der Mitte der Gemeinschaft eine "Meisterin" gewählt, der dann befristet die Leitung oblag. Die Frauen arbeiteten in der Krankenpflege, dem Bestattungswesen, betrieben Handel oder übten Textilhandwerke aus. Aber sie widmeten sich auch, wie Ordensschwestern, dem Gebet und der Kontemplation. Der Kirche, und in Deutschland besonders den Bischöfen, waren diese religiös, aber nicht den Orden unterstellten Frauengemeinschaften, die nach ihren eigenen Regeln lebten, mehr und mehr ein Dorn im Auge. Zahlreiche Beginen ließen ihr Leben in der Zeit der Inquisition, angeklagt der Ketzerei. Aber es gab auch Höfe, die der Verurteilung entgingen - durch die Annahme eines päpstlichen Angebotes: Sie unterstellten sich den Regeln der Franziskaner- und später der Dominikanerorden.

Die Reformation tat ein Übriges, die letzten Beginenhöfe waren nicht frei in ihren Regeln, sie unterstanden auf die eine oder andere Weise der Kirche. 
In den achtziger- und neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts lebte vielfach die alte Idee der Beginengemeinschaften wieder auf. Das Frauenbegegnungs- und Kulturzentrum Begine in der Potsdamer Straße gehörte zu den ersten Frauenprojekten dieser Art. Bereits 1986 wurde hier in einem von Frauen besetzten Haus Wohnraum für Frauen und Kinder geschaffen, das Haus in Eigenarbeit instandgesetzt. Heute gibt es dort ein Café, Räume für unterschiedliche Frauenprojekte und zahlreiche Kulturveranstaltungen.

Seit 2004 existiert der Dachverband der Beginen e.V., Mitglieder sind Beginen- und Frauenwohnprojekte. Der Verein mit Sitz in Berlin setzt sich hauptsächlich für die politische Gleichstellung von Frauen, Gewaltfreiheit und Gemeinschaft von Frauen ein, erforscht die alte und fördert die neue Beginenkultur. 

Rita Maikowski

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März 2007  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis