Orte und Plätze in Schöneberg
Ein Ruhepol in der Stadt: Der Prager Platz


Foto: Kathrin Holighaus

Verehrte Leser der "Colonie Friedenau", wie sieht Ihr Feierabend aus? Klar, ´runter von der Bundesallee, schnell die Kurve durch die Stubenrauch- oder Handjerystraße genommen und an oder hinter einem der kleinen Plätze ab ins "Nest".

Haben Sie sich schon mal den Stadtplan unter dem Aspekt angesehen, dass es ein Stück weit nördlicher eine ähnliche "Anflugsituation" für die Bewohner gibt? Vier Plätze in Wilmersdorf - Nikolsburger, Fasanen-, Nürnberger und schließlich der Prager Platz- markieren eine städtebauliche Figur, die ebenso wie die in Friedenau rund um den Friedrich-Wilhelm-Platz auf den Siedlungsgründer Carstenn zurückgeht. Johann Anton Wilhelm von Carstenn (1822-1896) stammte aus Hamburg und gehörte in der Gründerzeit zu den größten Immobilienunternehmern in Berlin, heute würde man sagen Projektentwicklern. Lichterfelde, Friedenau und der beschriebene Bereich in Wilmersdorf wurden von ihm erschlossen. Alle genannten Ortsteile gehörten zum Zeitpunkt ihrer Bebauung Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht zu Berlin.

1904 wird als Fertigstellungsdatum für den Prager Platz genannt, der auf alten Karten vor 1888 als Halberstädter Platz verzeichnet war. Da ich in der Literatur keine Erklärung dafür gefunden habe, warum der Halberstädter zum Prager Platz wurde, habe ich mir die Variante ausgedacht, dass ein Schinken besser ist als ein Würstchen... kleiner Scherz nebenbei!

Ein Schmuckplatz war entstanden, ganz gemäß dem damaligen Zeitgeschmack. Bis auf das Gebäude Prager Platz 6 wurde die Platzbebauung im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört. In den Wiederaufbaujahren blieb der Platz links liegen, nur Nr. 6 wurde aufgestockt und dem Geschmack der fünfziger Jahre, d. h. ohne Stuck, angepasst. Erst ab Ende der siebziger Jahre, als man die Qualität innerstädtischer Plätze wieder zu schätzen wusste und die Idee der Zeilenbebauung und Punkthochhäuser weitgehend verworfen hatte, wurden durch Gutachten und Wettbewerbe konkrete Vorstellungen erarbeitet, wie der Platz aussehen sollte. Die Bezirksverwaltung Wilmersdorf veranstaltete 1983 die "Wiba", die Wilmersdorfer Bauwochen mit Ausstellungen und Rundfahrten durch den Bezirk. Die Bürger sollten mehr in die Planung der Gemeinde, in diesem Fall der Stadtbezirk, einbezogen und rechtzeitig informiert werden. Der Prager Platz war ein Planungsschwerpunkt.


Foto: Kathrin Holighaus

Danach erhielten drei renommierte Architektur-Professoren den Auftrag, jeweils eine Ecke des Platzes neu zu bebauen. Die drei Entwürfe zeugen von sehr unterschiedlichen Auffassungen, einen Berliner Platz im postmodernen Zeitalter zu gestalten:

Rob Krier, ein Österreicher, der sowohl in Rauchstraße in Mitte als auch in der Ritterstasse in Kreuzberg Wohngebäude errichtete, die für Kenner den Wiener Ursprung deutlich werden lassen, betont die Ecke zwischen Prager und Motzstraße mit einem turmähnlichen, fast festungsartigen Gebäude. Krier, der gerne alte Formen der Stadt in seinen Entwürfen aufnahm - so interpretierte er die barocken Platzformen von Rondell, Oktogon und Quarrée in seinen Grundrissen neu - spielt mit stilistischen Elementen und hellen Farben und nimmt so dem Turm etwas von seinem wehrhaften Charakter.

Ganz anders die städtebauliche Aussage von Carlo Aymonino auf der Ecke zwischen Prinzregenten- und Aschaffenburger Straße. Hier wurde italienisch gestylt, stromlinienförmige Bauteile strahlen eine gewisse Dynamik, die gerasterten Quadrate die Strenge und Kühle des sachlichen Bauens aus. Der Begriff "Stadtreparatur", den man damals oft hörte, wird hier klar: In einem vorher zerstörten Kreis wird ein sauberes und formschönes "Stück" neu eingepasst.


Foto: Kathrin Holighaus

Zwischen Prinzregenten- und Trautenaustraße wieder eine kleine "Festung": Zwei Wehrtürme, Zinnen, alles vorhanden. Gottfried Böhm hatte vorher in seiner Heimatstadt Bensberg in Nordrhein-Westfalen den Rathausneubau ähnlich gestaltet, was in der dortigen Umgebung auch seine Berechtigung hatte. Vielleicht drängten sich ihm am Prager Platz Assoziationen zu böhmischen Burgen auf?

Das letzte unbebaute Grundstück am Platz zwischen Trautenau- und Prager Straße sollte zunächst, nachdem dort viele Jahre eine Autowaschanlage stand, mit einem Freizeitbad bebaut werden. Daraus wurde nichts, doch vor einigen Jahren entstand die "Prager Passage", ein Gebäude mit siebzehn Gewerbeeinheiten, unter anderen einem Fitness-Studio, aber eben auch dem Gegenteil, nämlich Lebensmittelgeschäfte mit Fleischwaren. Hier haben wir wieder das Motto: Schinken sind besser als Würstchen...

Doch was wäre der Prager Platz ohne den verkehrsberuhigten Bereich und ohne Brunnen mit sprudelnder Fontäne! Dieser Ruhepol mitten in der Großstadt macht den Platz zum Anziehungspunkt. Nur einmal im Jahr herrscht hier Trubel, wenn im Sommer das Fest der Nationen gefeiert wird. Genießen Sie die angenehme Atmosphäre!

Marina Naujoks

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Mai 2007  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis