"Naturkonzeptkunst" von Bringfried Johannes Pösger
Ein Anker in der modernen Welt

Gut 15 Jahre ist es her, da wurde aus einem homo politicus ein hauptberuflicher homo artis, kurz: Eine überstandene schwere Krankheit zwang Bringfried-Johannes Pösger, seinen Lebenssinn und -inhalt neu für sich zu definieren. Zwar hatte Kunstschaffen ihn schon immer begleitet, doch nicht in dieser Ausschließlichkeit, die ihn zu einem monatelangen Rückzug in die österreichischen Berge bewegte. Der Wunsch, der Welt zu helfen - sein Name "Bringfried" sei durchaus programmatisch zu verstehen und dem Widerstandsgeist seiner Eltern geschuldet - sollte die Menschen direkter erreichen als über das Wort. Und wo kam überhaupt der ganze Unfrieden, die Orientierungslosigkeit des Menschen her?
Pösger findet seine Antwort in der Natur, in die der Mensch eingebunden sei. Er will diesen gestörten Bezug wieder herstellen, seine Wurzeln freilegen und durch eine künstlerische Überhöhung aufzeigen, dass der Mensch sich auf einer Ebene mit Baum, Gras und Blume befindet: Gehen diese zugrunde, dann auch der Mensch.

Eine alte Bäuerin brachte es auf den Punkt: "Wir trampeln drauf rum, und du machst etwas so Schönes daraus!"
Eine Bezeichnung zu finden für das, was Pösger in seinem "Lebenskunst-Atelier" in der Stubenrauchstraße zeigt, ist schwierig. "Naturkonzeptkunst" nennt er einige seiner Arbeiten, auch "Denktafeln", "Lichtspurkompositionen". Gemälde sind es nicht, Installationen ebenfalls nicht, weder Zeichnungen noch Skulpturen, sondern spartenübergreifende Zusammenstellungen aus Naturmaterialien. Was diese vorgeben, greift Pösger auf und wird durch wenige Farben und ein paar Striche, vielleicht auch rasche Worte, kommentiert. Die Bedeutung kann man im Titel finden (der Künstler gestattet sich diese Subjektivität im Dienste der Erkenntnisfindung), doch sie erschließt sich dem Betrachter letztlich durch seine eigenen Erinnerungen an Spaziergänge am Uferschilf, an die Bäume seiner Kindheit und die Blumen des letzten Sommers. Pösgers Appell ist: Achte darauf, was dich umgibt! Sieh dich um! Schau, was du versäumen könntest!

Interessanterweise hat der Künstler ein Faible für moderne Medientechnik. Er arbeitet mit Fotografie, die er mit Mehrfachbelichtungen verfremdet, und er greift die neueste Kunstrichtung, die Videoinstallation, auf. Seine "slow moves" auf Flachbildschirm oder als Wandprojektion gezeigt, geben dem Betrachter ein sich sachte und unentwegt änderndes, digitales Gemälde. Wann immer man vorbeikommt: Ein neuer Aspekt. War das nicht eben noch eine Pflanze? Jetzt ist es eher - ja wirklich! Eine Zimmerecke! Ein nicht geplanter Nebeneffekt: "Hoch meditativ!" lobte ein Betrachter bei der letzten Ausstellung. Natürlich: Man kann sich in diese Zeitlupe versenken.
Aus seiner Arbeit hat Pösger eine Philosophie entwickelt, die aber noch nicht die rechten Worte gefunden hat. Der Kern ist in einer seiner Sentenzen gut gefasst: "Der Wert der Freiheit kommt erst dann zum Tragen, wenn wir immer wieder neu zu denken wagen". Ein Neues Denken, das soll es sein. So hält Pösger gelegentlich Vorträge in seinem Lebenskunst-Atelier, zuletzt über das Thema Liebe; in kurzen Aufsätzen und aphoristisch gibt es schon Ansätze seiner Philosophie, die man heimtragen kann. Ist ein veritables Buch das angemessene Medium? Oder ist vielleicht doch die Kombination aus Natur, Zeichnung und kurzer Bemerkung auf Papier der raschere Weg seiner Idee in Herz und Kopf`- wie bei der alten Bäu-erin?
Bringfried Pösgers Werke sind zu sehen und käuflich zu erwerben in der Stubenrauchstr. 4. Die Spannweite an Größen und Arbeitsweisen ist enorm - es lohnt sich, in den Nebenräumen zu stöbern! Und wie schon kluge Maler des 19. Jahrhunderts es taten, bietet der Künstler Ratenzahlung an. Steht nicht Weihnachten schon fast vor der Tür?

Lebenskunst-Atelier, Tel.: 850 76 591, www.lebenskunst-atelier.de

Sanna v. Zedlitz

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Mai 2007  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis