Wieso eigentlich "Schloßstraßencenter"?

Erster Tag
Als ich am Walther-Schreiber-Platz aus der U-Bahn steige und die Treppe
hochkomme, sehe ich, dass der Ausgang Richtung Schloßstrasse wieder offen
ist, noch nicht geöffnet zwar, noch von einem Gittertor versperrt, aber
man sieht schon wieder das Tageslicht. Geöffnet aber ist das neue
Einkaufzentrum, wie ich bemerke, das jetzt an der Stelle des alten
Hertiekaufhauses den Walther-Schreiber-Platz überragt, klotzig und
unelegant - das alte Hertie (ehemals Held) in seinem 50er-Jahre-Stil war
ein Kleinod dagegen... Ich ergreife die Gelegenheit, einen Blick hinein zu
werfen, bekomme am Eingang einen Lageplan und ein Tütchen mit
Gummibonbons in die Hand gedrückt, sozusagen zur Begrüßung. Naja...
Erst einmal bin ich enttäuscht: es ist gar
kein richtiges Warenhaus entstanden, sondern wieder so eine Galerie mit
Einzelgeschäften wie im Forum Steglitz, oder auch im - ja, Moment mal,
heißt das nicht Schloßstraßencenter, dieses Einkaufszentrum am Rathaus
Steglitz? Hier sind wir doch in der Bundesallee, auf Schöneberger Gebiet!
Wieso also Schloßstrasse? Die Lokalpatriotin erwacht in mir.

Eine Menge Neugieriger sind gekommen, aber
krachend voll ist es nicht. Seh-Leute, mal sehen, was hier so los ist.
Nichts Neues: Supermarkt, Mode, Schuhe, Imbiss, Eiscafé, Handyläden,
Butlers verspielte Kinkerlitzchen - alles ein bisschen kleiner und
billiger als im Steglitzer "Schloß", das mit seiner
Großartigkeit wohl die gut betuchten Kunden aus Zehlendorf und Wannsee
abfangen soll. Das KaDeWe der Vorstadt...
Soweit ich sehe, sind bereits alle Läden eröffnet; aber sicherlich wird
es nicht dabei bleiben, dass manche ihre Waren noch mehr oder weniger
dekorativ auf dem Fußboden ausgebreitet haben. Ich werde etwas später
nochmal einen zweiten Blick hineinwerfen. Das Eis allerdings, das ich mir
beim Hinausgehen gönne, ist vorzüglich!

3 Wochen später
Ich habe es mir abgewöhnt, das Einkaufzentrum durch den U-Bahneingang zu
betreten, das Untergeschoß deprimiert mich: billige Essecken, Mäc-Geiz,
Mister Minit, Reinigung - ‚Billiger Jakob' hätte mein Vater gesagt -
ein Drogerie-, ein Supermarkt. Da sieht's im Erdgeschoß schon seriöser
aus, wenn auch nicht gerade glamourös: hauptsächlich Mode von frech bis
elegant, alles für junge bis mittelalte Frauen. An Ältere ist hier nicht
gedacht, und an Alte schon gar nicht - nicht, dass ich mich hier für eine
sog. "Rentnermode" stark machen wollte, ganz im Gegenteil; aber
mit den lustig übereinandergezogenen Fähnchen der diesjährigen
Sommermode können nur die Mädels etwas anfangen. Schöner schon die neue
Schuhmode, ich finde meinen Lieblingsschuhladen (im Untergeschoss gibt's
dann praktischerweise die Vorjahresmodelle, billig gleich aus dem Karton.)
Sogar etwas Neues entdecke ich: BeMy-Bear - Kuscheltiere zum Selberbasteln
(und Einkleiden, wenn man will), Teddy, Schäfchen oder Husky etc., nach
Wunsch mit Herz und Sprache. Das hätte mir gefallen als Kind!
Im Obergeschoss gleichfalls Mode, daneben auch Dienstleistung, Spielwaren,
Handyshops - alles was für jüngere Leute, die Alten findet man im
Untergeschoß in den Essecken. Sehr viel Betrieb herrscht nicht,
Sonnabends sei mehr los, sagen mir Verkäuferinnen. Na, das ist ja
überall so.
Weil ich gerade unterwegs bin, schau' ich auch mal im umgebauten Forum
Steglitz vorbei. Irgendwie bekomme ich das Gefühl, mich immer noch im
Schloßstraßencenter zu befinden, so ähnlich ist das alles: Spiele-Max
statt Toys "R"Us, Stiller- statt Ecco-Schuhen, Thalia statt
Weltbild, die Modemarken austauschbar. Die meisten findet man auch noch in
den Geschäften der Schloßstraße wieder. Bis so etwas am Tauentzien
funktioniert hat, brauchte es Jahre...
Sigrid Wiegand
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Mai 2007 Stadtteilzeitung
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