Der Friedrich-Wilhelm-Platz in Friedenau
Friedenauer aller Straßen, schaut auf diesen Platz!

Das städtebauliche Herzstück bzw. Zentrum von Friedenau ist der Friedrich-Wilhelm-Platz. Er entstand um 1870 nach Plänen von Johann Anton Wilhelm von Carstenn und Johannes Otzen. 1887 wurde der Platz erstmalig gärtnerisch gestaltet. Was die Gestaltung des Platzes betrifft, ist seither viel passiert. Der aktuelle Zustand ist beschämend für Friedenau.

Ein Foto von 1955 - zehn Jahre nach Kriegsende - dokumentiert noch eine symmetrisch angelegte und gepflegte Parkanlage mit breiter Wegachse, Sitznischen mit Bänken, Schmuckbeeten, geschnittenen Heckensäumen und Flächen mit Rasen, Büschen und Bäumen. Die Kinder wurden mit einem großen Sandkasten bedacht. Es gab noch das Kaiser-Wilhelm-Denkmal im nördlichen Teil; das 1925 existierende Wasserbecken fehlte bereits. Die im neugotischen Stil mit Backsteinen erbaute Kirche "Zum guten Hirten" ziert auch heute noch den südlichen Teil des Friedrich-Wilhelm-Platzes.
Wie sieht es heute aus? Zum Verweilen gibt es immerhin die moderne City-Toilette, den Kiosk, der auch nach Mitternacht noch Angebote hat, sowie den Bolzplatz. Im letzten Jahr fühlten sich im begrünten Teil noch Leute zu Hause, die sich mit Unrat umgeben als Zeugen ihrer Lebensführung. Auch die sind nach Entfernung der letzten Sitzgelegenheiten nun fast vergrault. Der Platz gleicht insgesamt einem Flickwerk. Nur einige alte Bäume sind übrig von der ehemaligen Gestaltung. Es gibt obskure Wegführungen, die letzten Beete wurden gerade beseitigt und sollen durch pflegeleichten Rasen ersetzt werden. Graffiti in Großformat leuchten auf hässlichen Ziegelmauern, die als Schallschutz gedacht sind. Efeu klettert nicht an diesen, sondern an Bäumen hoch. Den asphaltierten Wegen sind etliche Eingriffe anzusehen. Eine breite Erd-Schneise verunstaltet die westliche Seite. Sie entstand 2006, als VATTENFALL hier Tiefbauarbeiten für Fernwärmeleitungen durchführen ließ. Nach deren Auskunft sind die Arbeiten abgeschlossen und die Gestaltung der Oberfläche Sache des Bezirksamtes. Dem wird allerdings von Bezirksstadtrat (Abt. Bürgerdienste, Ordnungsaufgaben, Natur und Umwelt) Oliver Schworck widersprochen.

Das sieht nach Notverwaltung aus. Die finanziellen Probleme des Bezirkes sind bekannt und damit auch die personellen Engpässe. Trotzdem wollte ich wissen, ob es Planungen für den Platz gibt und welche. Nach Aussage von Bezirksstadtrat Schworck wird eine pflegeleichte und transparente Gestaltung angestrebt. Beete entfallen, kleine Gehölze werden nicht wieder angepflanzt, Rasenflächen erweitert. Ob es wieder Sitzmöglichkeiten im grünen Bereich gibt ist fraglich, da die Vandalismusschäden im ganzen Bezirk so erheblich sind, dass einige Mitarbeiter nur damit befasst sind. Auch der Müll ist ein zunehmendes Problem. Wir sind uns im Gespräch beide einig, mit mehr Aufmerksamkeit und Zivilcourage ließe sich einiges davon vermeiden. Nur nach dem Ordnungsamt zu rufen und nach "1-Euro-Jobbern" ist zu kurz gedacht.

Immerhin war ich letzte Woche Augenzeugin von Aktivitäten einiger arbeitsamer Abgesandter des Bezirksamtes, die steinerne Umrandungen der nicht mehr bepflanzten Beete beseitigten, und als ich zwei Tage danach hinfuhr, um Eis zu spendieren, waren die versteinerten Zeitzeugen schon abtransportiert. Alles neu macht der Mai?
Nun sitze ich wieder bewundernd und nachdenklich vor dem Foto des Platzes von 1955, S. 45 in dem Buch "Denkmale in Berlin" Bezirk Schöneberg Ortsteil Friedenau. Ich vermute, mehr Geld wird es damals auch nicht gegeben haben. Aber mehr Wertschätzung, mehr Kultur? Ideen müssen her. Wie wär´s mit einer Bürgerinitiative, herzhaft und tatkräftig? Das muss es 1955 schon gegeben haben - es hieß nur anders.

Annetta Mansfeld

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Mai 2007  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis