20 Jahre Theater Strahl
Von Liebe, Hochwasser und globaler Herzerwärmung

Die Erde hat einen Spiegelplaneten namens R.D., 2743 Lichtjahre von der Erde entfernt, dessen Bewohner genau das erleben und erleiden, was auf der Erde geschieht. In letzter Zeit scheint aber auf Erden einiges außer Kontrolle zu sein, vor allem das Klima! Nur bemerkt es auf der Erde wohl niemand. Auf Drängen des Geheimen Rates von R.D. nimmt Agent Lemmy Attäck den Auftrag an, zur Erde zu reisen, um die Umweltkatastrophe doch noch abzuwenden. Beim Materialisieren landet er in der Heinrich-der-Wagen-bricht-Schule mitten in den Konflikten der Jugendlichen: Bennel, der ‚anders' als die anderen ist, hat sich in Ev verliebt und sie auch in ihn. Aber die Gang um Frido, Fred und Franz tritt dazwischen, mit Gewalt. "Kann ein Herz zerreißen?" fragt Bennel Lemmy, während sie Bananen aus der Lausitz essen...

Die neueste Inszenierung des Jugendtheaters Strahl handelt zugleich vom sozialen und vom meteorologischen Klima. Neben der Liebe geht es vor allem die Erfahrung von Ohnmacht und den Umgang mit Angst, mit zwischenmenschlicher wie ökologischer Bedrohung. Angesichts der offenbar übermächtigen Verhältnisse auf beiden Ebenen entsteht die Frage, was man überhaupt noch selbst beeinflussen kann. Hier zeigt der Regisseur und Autor Günter Jankowiak die Verbindung auf: Handeln, eingreifen statt sich abzufinden, bewirkt doch Veränderungen. Auch szenisch laufen die zwei Ebenen schließlich parallel. Die Situation spitzt sich dramatisch zu, der Schluss kommt jäh und ohne Happy-End. Aber so bleibt eben auch der pädagogische Zeigefinger aus, und man darf selbst über Auswege nachsinnen.
Den schweren Stoff trotzdem mit Humor und oft selbstironischen Witz zu vermitteln, scheint gut gelungen. Die Songs und Klangeffekte heizten bei der Premiere die Stimmung an in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Theatersaal der Weißen Rose. Köstlich zu erleben ist der vermeintlich trottelige Nachbar Herr Werner, der doch als einziger die Lage erfasst: "Der Präsident, dit is die janz falsche Adresse", um die Klimakatastrophe zu stoppen. Und wenn die zierliche Ev so richtig loslegt, bebt die Bühne. Mehr sei nicht verraten. ‚Von Liebe und Hochwasser' für alle ab 14 Jahren läuft noch 15 Mal von Mai bis Juli.

Das privat geführte Jugendtheater feiert im September seinen 20. Geburtstag. Gleich im Gründungsjahr 1987 war die erste Inszenierung zum Thema Aids bundesweit erfolgreich. Seither sind jedes Jahr nach oft umfangreichen Recherchen zu den neuen Themen ein bis zwei Stücke entstanden. Durch Kooperationen und Teilnahmen an Festivals hat sich die Gruppe als Jugendtheater ‚mit Anspruch' etabliert. Acht Produktionen sind im Repertoire 2007, mit 150 Aufführungen.

Die Theaterleute von Strahl versuchen zu ergründen, welche Fragen Jugendliche von 12 bis 18 Jahren bewegen. Beispielsweise wurde das Thema Mobbing unter Mitschülern als Krimi verarbeitet - und nebenbei Schillers Ballade ‚Die Bürgschaft' aktualisiert. ‚Mit arger List' - so der Titel - wird im Juni und Juli gespielt.

Ein Leitmotiv ist den Regisseuren und Schauspielern, die die Stücke zum Teil mit entwickeln, wichtig: Die Auseinandersetzung mit den Wünschen, Ängsten und Perspektiven soll die Jugendlichen ermutigen, sich einzubringen und fatalistische ‚Nach-mir-die-Sintflut'-Haltungen zu überwinden.

Mit dem Stück, das am 8. Mai uraufgeführt wird, hat auch ein neues ‚Strahl-Genre' Premiere: Beim InterAktiven Theater entscheidet das Publikum über den Ausgang des Stückes. ‚Das zweite Mal' handelt von Lea, die die Schule geschwänzt, geklaut hat und beim Sprayen erwischt wurde. Wie werden die Eltern, Schule, Freunde reagieren? Wie geht Leas Leben weiter? Die Jugendlichen und Schauspieler werden gemeinsam aktiv, um Lösungen zu entwerfen. So wird die Geschichte vermutlich jeden Abend anders ausgehen. Ziel ist in diesem moderierten Prozess, zu erleben, was geschieht, welchen Verlauf nimmt alles, je nachdem, ob ich dies oder jenes sage oder tue? Klar wird, dass es die einzig richtige Lösung nicht geben kann. Am 7. Mai, dem Premieren-Vorabend, findet noch eine öffentliche Probe statt.

Aus dem Spektrum des theaterpädagogischen Angebots sei noch die JugendTheaterWerkstatt erwähnt: Jugendliche erarbeiten unter Anleitung von Schauspielern, Regisseuren oder Theaterpädagogen eigene Inszenierungen, lernen ein ausgewähltes Stück und seine Figuren über Improvisationen kennen, erproben Theater in einem Zeitraum von sechs bis neun Monaten, ein Treffen pro Woche bis zur Aufführungsreife. Die nächste Werkstatt beginnt nach den Sommerferien. Mehr Infos gibt es dann im Internet.

Theater Strahl hat seine feste Spielstätte im Jugendkulturzentrum ‚Weiße Rose', Martin-Luther-Straße 77 am Wartburgplatz. Ende Mai öffnet wieder die Open Air Bühne im Theatergarten. Die Strahl-Probebühne für kleinere Veranstaltungen ist im Kulturhaus Schöneberg, Kyffhäuser Straße 23. Seit Ende 2006 ist das Strahl-Theater auch mit Stücken aus seinem Repertoire zu Gast im Admiralspalast-Studio in Mitte.

Spieltermine und -orte, Ticketbuchung unter www.theater-strahl.de oder Tel. 030-695 99 222.
Vorstellungsbeginn ist meist 11 Uhr, Spielpause im Sommer von Schulferienanfang bis zum 13.9.07.

Elke Weisgerber

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Mai 2007  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis