Das Thema im Mai
Wie sollen wir lieben?

Im Wonnemonat Mai entdecken wir unser Herz, und die Feste der Nächstenliebe, Weihnachten und Ostern, liegen vor und hinter uns. Nächstenliebe - ein Konzept, das das Christentum von allen anderen Religionen unterscheidet. Ein Konzept, das selbst den eingefleischtesten Atheisten unter uns kulturell geprägt hat. Und ein praktikabler Ansatzpunkt, um eines unserer brennendsten Probleme zu lindern: Wie können wir mit all jenen eine bürgerliche Gemeinschaft bilden, die aus den anderen Teilen der Welt zu uns gekommen sind - aus welchen Gründen auch immer?

Es ist leicht zu sagen: Sie sollen sich erst mal selbst anstrengen. Und: Sie könnten doch, wenn sie nur wollten! Oder: An mir liegt das nicht, ich würde sie nicht abweisen... Stellen wir uns die Sache doch wie eine Romanze vor.

Ein Junge möchte ein Mädchen für sich gewinnen. Eigentlich ist er ein netter Kerl, aber verklemmt. Er ist gut bei Kasse, aber geizig. Er hat höchste Ansprüche an die Schönheit des Mädchens und ihre Bescheidenheit; sie soll ihm nicht auf der Tasche liegen, klug sein, aber nicht widersprechen und ihn auf gar keinen Fall auf die Pickel hinweisen, die ihm immer wieder am Kinn sprießen. Er versteht sie nicht und versucht es auch gar nicht. Er wird sich schon gönnerhaft um sie kümmern, wenn sie ausreichend mitleidheischend zu ihm kommt, denkt er. Aber merkwürdig, sie kommt gar nicht! Sie umgibt sich lieber mit ihren eigenen Freundinnen und sucht sich einen, der sie besser versteht. Und wenn der Junge Pech hat, ist es ein Blender, der dem Mädchen den Kopf verdreht und dem Jungen die Nase blutig schlägt.

Sie verstehen schon, was ich meine. Natürlich, der Vergleich hinkt. Keiner hat die Kraft, jeden Menschen auf der Welt mit aller Kraft zu lieben, obwohl er ihn nicht kennt. Doch jede Frau - ich kann eigentlich nur für Frauen sprechen - kann eine andere freundlich anlächeln und die Wartezeit an der Kasse überbrücken, indem man über die Kinder plaudert, und sei es mit Händen und Füßen. Es geht nur um ein paar kleine Gesten, um in unseren Mitbürgerinnen den Wunsch entstehen zu lassen, uns ebenfalls zu verstehen, unsere Sprache zu erlernen, Kontakt aufzunehmen. Stellen wir Normalität her! Es geht darum, eine fremde kalte Welt gelegentlich in Sonne zu tauchen. Zu einer Romanze gehören immer zwei.

Sanna v. Zedlitz

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Mai 2007  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis