Menschen in der VHS
 
 
 
Angelika Reimer
"Worte wirken Wunder"

Aufgewachsen ist Angelika Reimer in einem kleinen Dorf am Niederrhein "in einer katholischen Familie ohne Bücher". Zwar weckte bereits der quergelesene Inhalt der kompletten Pfarrbücherei ihre Lust an der Sprache. Bis sie ihren Weg in die Leitung biografischer Schreibkurse fand, sollten aber noch mehrere Jahrzehnte vergehen.

Ihre Eltern standen dem Gymnasialbesuch der Tochter und auch dem Lehramtsstudium in Biologie und Englisch kritisch gegenüber. Sie aber setzte sich durch, ergänzte das Studium im "roten West-Berlin" um ein Auslandsjahr in Oxford und baute den ersten bilingualen deutsch-englischen Zug für das Fach Biologie an einem Charlottenburger Gymnasium auf. Ihre Begeisterung für die kreative "Gelenkstelle" zwischen Unterricht, Schülern, Kollegium und Eltern ließ die rheinisch-lebenszugewandte Frau voraneilen bis zur Stellung einer Studiendirektorin.

1998 aber wurde Angelika Reimer durch eine schwere Krankheit, wie sie sagt, "von der Karriereleiter gestürzt." Sie nahm es als Chance. Weiterbildungen in Entspannungstherapie und Körperarbeit bereicherten auch ihre schulische Arbeit. In der Rehaklinik entdeckte Frau Reimer dann das Schreiben als eine Möglichkeit, die Reise zu sich selbst anzutreten, Worte für das eigene Erleben zu finden und damit auch schwierige Gefühle von innen nach außen bringen zu können.

Angelika Reimer ließ sich an der Alice-Salomon-Fachhochschule zur Kursleiterin für Biografisches Schreiben weiterbilden und ist nach weiteren 2 ½ Jahren Curriculum jetzt zertifizierte Trainerin für Poesie- und Bibliotherapie. Der Weg in die Frühpensionierung 2003 war schmerzhaft, weil sie so gerne Lehrerin war. Dann aber lockte der Neuanfang: Mit der Gründung ihrer "Wortwirkstatt" kann sie nun weiterhin mit Menschen arbeiten, gestaltet Workshops und Schreibreisen für Erwachsene.

Für Angelika Reimer ist biografisches Schreiben nicht vergleichbar mit Deutschunterricht. Ihr geht es in ihrer Arbeit darum, "die persönliche Resonanz der Teilnehmenden zum Klingen zu bringen." Dabei will sie selbst weniger Lehrerin als "Geburtshelferin" sein, die etwas hervorlockt, was schon in den Menschen steckt. Ihre Kurse sollen konkurrenzfreie Räume schaffen, in denen Bewertung durch Wertschätzung ersetzt wird. Schreiben entschleunigt die Gedanken und führt häufig zu überraschenden Erkenntnissen über sich und die Welt, sagt sie.

Mittlerweile konnte Angelika Reimer sogar ihre 83-jährige Mutter zum biografischen Schreiben ermuntern. Auch sie selbst ist stets neugierig auf neue Schreib-Erlebnisse. Für diesen Sommer hat sie "Schreiben im Kloster" gebucht. Innerlich und äußerlich reisen sei ihr Hobby, sagt Frau Reimer von sich. Im Sommer will sie mit dem Wohn-mobil nach Alaska fahren - jetzt nimmt sie in ihrem VHS-Workshop "Jugend in den 50er und 60er Jahren" erst einmal Menschen mit auf eine Reise in die eigene Vergangenheit - und zu sich selbst.

.
April 2008  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis