Alles schön und gut
Vom "Samdklait" zum Samtkleid

Weihnachten hatte für uns noch nie eine religiöse Bedeutung. In die Kirche sind wir auch nie gegangen. Und auch wenn wir nicht immer brav waren, hat uns der Weihnachtsmann am Ende des Jahres doch jedes mal mit Geschenken beschert. Zwar gab es in der Schule die Ausmalbilder vom Jesuskind, Basteleien von Weihnachtssternen und die alljährlich wiederkehrenden Krippenspiele.

Das war auch alles schön und gut (wirklich!) und pädagogisch sicher sehr wertvoll, Kindern den Wert nicht materieller Güter bewusst zu machen. Doch eingestanden: Weihnachten hieß letztendlich für meine beiden großen Brüder und mich, unsere Wünsche in fein säuberlicher Schönschrift auf Papier zu bringen und zu hoffen, diese auch unter dem großen, üppig geschmückten, noch am gleichen Tag gekauften Weihnachtsbaum (dann ist er billiger) vorzufinden.
Früher war es das „Samdklait“ auf meinem Wunschzettel. Heute ist es das Samtkleid oder das ein oder andere Kleidungsstück, das ich in meiner Garderobe noch misse. Aber dazu brauche ich kein Weihnachten, sondern einfach nur Geld.

Früher war es das ewig lange Warten auf das Glockengebimmel, welches Bescheid gab, dass es endlich soweit war, mit glühenden Wangen und voller Vorfreude, den von Kerzen erleuchteten Raum zu betreten.

Und dann war da noch, zu meiner großen Überraschung, ein schäferhundgroßes Kuscheltierkamel, welches ich in dem Glauben, es sei ein verpacktes Kopfkissen, unter dem Weihnachtsbaum hervor fischte. Molly, die von da an auf meiner Bettkante über meinen Schlaf wachte. Die ich an jedem darauf folgenden Weihnachten mit an den Frühstückstisch setzte, um ihren Geburtstag zu feiern.

Heute gibt es bei uns keinen Weihnachtsbaum mehr und an den Weihnachtsmann habe ich, nebenbei gesagt, sowieso noch nie geglaubt.

Heute ist Weihnachten für mich, wie es im Zimmer riecht, wenn sich der Staub auf der Heizung erwärmt. (Da kann man doch immer so schlecht putzen!) Den Geruch von Kälte einzuatmen und ihn als weißes Wölkchen wieder auszuatmen. Zu essen, als würde es nie wieder Entenbraten mit Rotkohl, Plätzchen und Stollen geben, mit der Entschuldigung, alles spätestens im Frühjahr wieder abgerackert zu haben.

Heute ist Weihnachten die Befürchtung, dass 'Alle Jahre wieder' irgendwie viel zu schnell wieder kommt.
...die warme Bettdecke, Molly neben mir und die Erinnerung an ein hellblaues Samtkleid, welches ich mir einst so sehnlichst gewünscht, aber doch nie getragen habe.

Sonja Weissberg

.
Dezember 2008  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis