Das Hospiz Schöneberg-Steglitz

Die Endlichkeit des Lebens

Sterben - ist das nicht etwas, das nur den anderen passiert? Lieber nicht daran denken... Neue Therapien verlängern unser Leben und rücken das Lebensende in immer weitere Ferne, doch eines Tages sehen wir in die Augen eines Arztes, und wenn er nicht selbst die Wahrheit ängstlich scheut, die Reaktion seiner Patienten nicht fürchtet, dann wird er vielleicht unsere Hand nehmen und sanft sagen, dass es nun ans Sterben gehe. Und dann?

Inzwischen haben todkranke Menschen, für deren Krankheit keine Heilung mehr abzusehen ist und deren verbliebene Lebenszeit nach ärztlichem Befund nur noch wenige Wochen und Monate umfasst, ein Recht darauf, sich in einem Hospiz würdig und liebevoll umsorgt auf das Ende vorzubereiten. Schon seit 1999 gibt es einen ambulanten, ehrenamtlichen Hospizdienst beim Nachbarschaftsheim Schöneberg, der von Stefan Schütz koordiniert wird, und so war er auch dabei, als es um die Standortsuche und den Ausbau des Hospizes ging, in dem seit nunmehr viereinhalb Jahren auf 16 Zimmern Gäste betreut werden.

Im lichtdurchfluteten Raum der Stille mit Blick auf die stille Steglitzer Kantstraße, deren Pflaster sicher schon das 18. Jahrhundert erlebt hat, sitzt er gelöst, heiter und aufmerksam mir gegenüber. Jedes Jahr werden bis zu 150 Gäste für immer verabschiedet, denen die Pflegenden und Familienangehörige Blumen vor die Tür legen und für die man eine Kerze entzündet, um Zeichen für alle im Hause, dass ein Mensch gestorben ist. Woher rührt diese Gelassenheit?

"Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass ein bewusster Umgang mit der Tatsache, dass wir eines Tages sterben werden, unser Leben sehr viel reicher und gelassener macht; allerdings denke ich, dass doch in dem Moment, in dem der Tod wirklich sehr nahe ist, viele Menschen Angst bekommen, ganz gleich, welche gedanklichen Konzepte sie sich zuvor zurechtgelegt haben. Und das macht unsere Arbeit hier so wichtig und befriedigend."

Manche Gäste finden erst hier Worte für ihre Ängste, finden geduldige Zuhörer, die ehrlich interessiert sind an der Geschichte dieser Menschen und deren liebevolle Zuwendung frei ist von den emotionalen Lasten, die eine familiäre Bindung oft mit sich bringt. Und manche Gäste hatten es vielleicht nie zuvor so behaglich und sorgenfrei. Einen würdigen, schmerzfreien, geborgenen Abschluss zu geben - das ist das Ziel des Pflegeteams im Haus unter der Leitung von Dieter Geuß, dessen Arbeit Stefan Schütz als Koordinator des ambulanten Hospizdienstes ergänzt. Dort arbeiten sorgfältig geschulte Ehrenamtliche (das wäre vielleicht ein Projekt für das nächste Jahr, überlegen Sie doch mal), deren Lohn und Motivation die große Dankbarkeit ihrer Schützlinge ist.

Ja, so ein Hospizplatz wird von den Krankenkassen finanziert - doch immerhin noch 10 % des Pflegeaufwands muss das Hospiz selbst aufbringen, und das macht jährlich 135.000 €. "Und dabei sind Büromaterial oder Blumenzwiebeln für den Garten, schöne Bilder an den Wänden oder gar ein Wintergarten oder ein Vordach für den Eingang natürlich nicht berücksichtigt," erzählt Stefan Schütz. Man merkt, dass die Hospizmitarbeiter es ihren Gästen so bequem wie möglich machen wollen. Und ihren Angehörigen auch, denen durch diese Fürsorge selbst eine Bürde vom Herzen genommen wird. Schon das schlechte Gewissen, die Pflege nicht mehr allein bewältigen zu können, oder womöglich das Gefühl, doch nicht alles versucht zu haben? Und schließlich sollen die Trauernden nicht ungetröstet nach Hause gehen.

Als das Haus gefunden war, glaubte er zunächst sogar, es sei viel zu groß; tatsächlich aber könnten ein paar zusätzliche Räume für die umfangreiche Beratungstätigkeit der Mitarbeiter nicht schaden: "Wir haben diesen Aspekt der Hospizarbeit unterschätzt", meint Herr Schütz und ist froh über die Ideen des Architekten, der beispielsweise einen hässlichen gefliesten Souterrainraum umbaute, mit bodenhohen Fenster und Glastüren versah und davor eine tiefergelegte Terrasse schuf: ein Ort für Seminare und Mitarbeiterbesprechungen.

Wer hierher kommt, weiß warum - "Diesen Anspruch haben wir vor allem aus Respekt vor dem Menschen, aber auch um die Arbeit der Pflegenden nicht unnötig zu erschweren" - und wurde meist von seinem Arzt (oder einem Krankenhaus) angemeldet. Sehr selten sorgen Menschen für sich so gut wie eine Frau, die nach ihrer Krebsdiagnose Kontakt mit dem Hospiz aufnahm und sich vorsorglich anmeldete. Bis sie wirklich einzog, nahm sie die Hilfe der ambulanten Ehrenamtlichen in Anspruch; eine solche Charakterstärke und Liebe zu sich selbst kann man sich nur wünschen. Jedenfalls bleibt mir das Hospiz in Erinnerung als ein lebendiger Ort voller Zuneigung.

Sanna v. Zedlitz

Spenden (steuerabzugsfähig) an das Nachbarschaftsheim Schöneberg
Konto 3 106 205, BLZ 100 205 00 (Bank für Sozialwirtschaft Berlin)
Hospiz Schöneberg-Steglitz, Tel. 768 83 102
Ambulante Hospizbegleitung: Tel. 768 83 104
Freundeskreis Hospiz Schöneberg-Steglitz, Tel. 76883-103 oder -104

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Dezember 2008  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis