Jugendtheater

"Es ist normal, verschieden zu sein"

Am 6.Juni war im Jugendkulturcentrum "Weiße Rose" eine besondere Theater-Premiere. Was diese Aufführung auszeichnete, war die Tatsache, dass es 12- bis 13-jährige Kinder waren, die das Stück mit dem Namen "Es ist normal, verschieden zu sein" nicht nur gespielt, sondern auch zusammen geschrieben hatten. Das Thema war das „ausgegrenzt werden“, Fremdenfeindlichkeit und Toleranz, das auf der Bühne in einer erfundenen Schulklasse behandelt wurde.

Die engagierte Lehrerin der Klasse 6b von der Grundschule am Barbarossaplatz, Frau Peggi Bonitz, erarbeitet jedes Jahr mit der 6. Klasse ein Theaterstück.
Nach der Anfrage bei der Theaterpädagogin vom Theater Strahl, Frau Karen Giese, erfuhr sie von dem Bundesprojekt "Vielfalt tut gut". Nach der Beantragung und Genehmigung für dieses Theaterstück im November 2007 begann sie mit der Klasse die thematische Vertiefung des Projekts: Aufarbeitung des 3. Reichs und Faschismus, Verfolgung der Juden, Minderheiten und Andersartigen und, wie sie sagt, "Erziehung zur Toleranz, um das Gefühl zu bekommen, was es heißt, dass jemand ausgegrenzt wird für Sachen, für die er nichts kann".

Es gab auch eine Ausstellung zu diesem Thema in der Schule. Danach schrieben die Schülerinnen und Schüler selbst das Theaterstück, entwarfen und fertigten sogar einige Holzkisten als Klassenstühle für die Bühne an. Die Regie führte Frau Karen Giese. Sie findet zurecht die pädagogischen Aspekte dieses Projekts vielfältig, denn die Kinder lernen dadurch viel: "gerade in der Zeit von Pisa-Schock ist es wichtig zu wissen, dass es neben Leistung und Notendruck andere Dinge gibt, die für das Leben und die Menschwerdung wichtig sind, nämlich To-leranz, ganzheitliches Lernen und Selbstwertgefühl, das durch so ein Teamwork trainiert wird: miteinander so etwas auf die Bühne zu stellen und vor 130 Kindern aufzutreten".

Darüber hinaus aber ist es in diesem Stück gelungen, einige Charaktere so zu beschreiben, dass indirekt eine Situationsanalyse und Ursachenbeschreibung dargeboten wird. Diese Darbietung geschieht zum Teil nicht auf konventionelle Art und Weise, die Personen beschreiben sich nicht nur durch ihre Handlungen, sondern plötzlich bekommen einige Schüler dieser gedachten Klasse ein Mikrofon von einer realen Person, die sich im Zuschauerraum befindet, und sie beschreiben in Ich-Form, wer diese gespielten Schüler sind. Der Zuschauer lernt einige Charaktere kennen: den Computerspielsüchtigen, die Shoppingfixierten, die "Egalos", für die alles egal ist, oder die Draufgänger und "Brutalos", die aus lauter Frust immer auf der Suche nach jemanden sind, den sie auslachen oder schlagen können.
Es ist die Geschichte von Janina, einem Mädchen aus der Ukraine, das mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen ist. Sie wird in der Schule ausgegrenzt und schikaniert. Einige Schüler jagen sie durch die Gegend (die Darstellung der Hetzjagd findet zum Teil sogar durch den Zuschauerraum statt, was das Stück sehr lebendig macht und zugleich die Grenze zum Zuschauer sprengt). Als ein iPod einer Schülerin geklaut wird, hält die Klasse Janina für die Diebin und jagt sie. Janina hält soviel Ungerechtigkeit und Schikane nicht mehr aus und haut ab. Dann aber meldet sich aufrichtig und mutig der Schüler, der wirklich den iPod gestohlen hatte. Am Schluss sieht die Klasse ein, was sie Janina angetan hat, einige Schülerinnen suchen und finden sie. Sie bringen sie wieder in die Klasse zurück, mit dem Versprechen, zu ihr zu halten.

Das Stück bekam mehr Lebendigkeit auch durch exzellente Begleitmusik und Lichteffekte, dank der Technikerin Frau Karo Schulz.
Die Aufführung wurde mit großem und lang haltendem Applaus beendet. Unter den begeisterten Zuschauern war auch ein Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, Frau Alice Stöver, von der Partei Bündnis90/die Grünen.

Am Ende bekam jedes Mitglied des Ensembles vom Referenten für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Abteilung Familie, Jugend, Sport u. Quartiersmanagement des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg Ed Koch, ein T-Shirt, mit der Aufschrift "Vielfalt tut gut", und die gesamten Anwesenden riefen gemeinsam und laut diesen Slogan.

Nach der Veranstaltung bleibt nicht nur die schöne Erinnerung, sondern auch der Gedanke: Zu wissen, dass es solche klugen und mutigen Menschen in Berlin gibt, tut auch gut.

Nahid Stürzer

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Juli 2008  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis