Menschen in der VHS

Gundi Nietfeld
"Mütterkurs"-Leiterin

"Die Deutschen muss man ansprechen, die sind nämlich schüchtern…" - so versuchte jüngst eine couragierte, aus Afrika stammende Kursteilnehmerin ihre Kolleginnen zu mehr deutscher Sprachpraxis zu ermuntern. Gundi Nietfeld, seit 9 Jahren Leiterin von VHS-Deutschkursen für Mütter an Kitas und Schulen, freut sich darüber. Denn nicht immer bringen ihre Teilnehmerinnen den Mut auf, mit ihrem erworbenen Sprachwissen auf deutsche Nachbarn zuzugehen. Sie stellt aber auch gleich die kritische Gegenfrage: Welche deutschen Kita- oder Schul-Eltern seien denn eigentlich vorbehaltlos bereit, Kontakt mit den Müttern anderer Herkunftsländer aufzunehmen?

Dreimal in der Woche lernen die Frauen, während ihre Kinder betreut werden oder im Unterricht sind, im "Mütterkurs" Deutsch. Einmal wöchentlich neuerdings sogar am Computer. Im Unterricht werden besonders Themen behandelt, die den Familienalltag, die Schule und die Kita betreffen. Nicht wenige Frauen, die Gundi Nietfeld unterrichtet, haben kaum Lernerfahrungen, sind in ihren Heimatländern nur kurz zur Schule gegangen. Einige konnten nicht einmal Lesen und Schreiben lernen. Es braucht also Geduld und Durchhaltevermögen auf beiden Seiten. Und eben auch eine Überwindung kultureller Grenzen jenseits des Kurses - denn ohne Anwendung im Alltag, findet Nietfeld, bleibt jeder Sprachkurs nur "Trockenschwimmen".

Gundi Nietfeld, wie sie sagt als Münsterländerin in Berlin selbst "Migrierte", ist Spezialistin für kulturelle "Grenzüberschreitung". Die studierte Ethnologin hat sich viel mit anderen Kulturen, speziell der türkischen, beschäftigt. Am Institut für Interkulturelle Studien verfasste sie u.a. Expertisen zur Ausbildungssituation von ausländischen Jugendlichen. 1995 gab sie ein Buch zur sozial-kulturellen Arbeit des Nachbarschaftsheimes Schöneberg im Wandel der Zeit heraus. Nietfeld begann, im türkischen Frauentreff KIDÖB Deutschkurse zu geben und war dort drei Jahre lang als Sozialarbeiterin beschäftigt. Nach berufsbegleitenden Fortbildungen ist die Quereinsteigerin jetzt auch zertifizierte Kursleiterin.
Gundi Nietfeld schätzt an den von ihr durchgeführten VHS-Angeboten vor allem den praktischen Ansatz: Dass Sprache gleich mit der Anwendung im Alltagshandeln verknüpft werden kann. Noch stärker gilt das für den Projektkurs "Deutsch und Berufsorientierung im Pflegebereich", dessen dritten Durchgang sie inzwischen betreut und der mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds kofinanziert wird. Hier treffen sich ein Jahr lang Frauen, die neben der Verbesserung ihrer Deutsch- und Erwerb von Computerkenntnissen auch noch eine Einführung in Pflegeberufe bekommen möchten. Nach einem anschließenden, viermonatigen Aufbaukurs ist ein Abschluss mit dem Zertifikat "Pflegehelferin" möglich.

Dies Projekt ist eine tolle Möglichkeit zu einem Berufseinstieg für Frauen ohne Ausbildung, ist Gundi Nietfeld überzeugt. Sie würde sich wünschen, dass noch viel mehr, vor allem türkische Frauen diese Chance nutzen. Denn "ein bisschen die Tür öffnen", das kann die "Mütterkurs"-Leiterin ihnen schon. Aber hindurchgehen müssen die Frauen schließlich selbst.

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November 2008  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis