Ausstellung im Nachbarschaftsheim | ||||
Lichte Trauer Wer sich schon um fünf Uhr früh auf die
Lauer legt, um das besondere Morgenlicht über einem Fluss einzufangen,
muss diesen schon sehr lieben. Christine Pöttker hat sich mit ihren
Fotografien ganz dem "Schlesischen Elysium" verschrieben, wie
das Hirschberger Tal in Schlesien in den vergangenen Jahrhunderten genannt
wurde. Hier war die Natur einerseits mächtig und beeindruckend - die
Schneekoppe des Riesengebirges grüßt von fern, andererseits aber
lieblich von Flüssen und Bächen durchzogen, grün und golden von Eichen,
Buchen, Birken und Nadelwald zwischen Äckern und Wiesen; Täler und
Anhöhen wechseln sich ab und luden zum Schlösserbau geradezu ein.
Christine Pöttker kam schon 2002 mit ihrem Lebensgefährten erstmals
hierher, um ein Stück Familiengeschichte zu erforschen - Buntweberei -
und machte von Anfang an zahllose Fotos mit ihrer analogen Kamera.
"Für mich liegt die Kunst darin, den richtigen Moment, den richtigen
Blickwinkel zu finden. Das ist der Unterschied zu der Bilderflut der
digitalen Fotografie. Ich lasse mich gern vom Ergebnis überraschen."
Sie war ganz bezaubert vom Hirschberger Tal und kam mehrmals im Jahr, um
die verschiedenen Schlösser zu besuchen. Einer dieser Besuche aber barg
einen Abschied in sich, und indem sie ihren Lebensgefährten während
einer solchen Reise an den Tod verlor, gewann das Fotografieren eine ganz
neue Bedeutung. Sie wurde, wie Christine Pöttker sagt, zu einer
Möglichkeit, ihren inneren Bildern, ihrer Trauer und Traurigkeit einen
Ausdruck zu geben. Vom Fluss steigt Nebel auf und verklärt den Blick auf das jenseitige Ufer des Bober, die Wiesen sind zartrosa und grün überhaucht, durch die Zweige haben wir geheimnisvolle Ausblicke über ein Feld, und die Flussströmung liegt da wie gefälteltes Metall oder ein weißsilbernes Band. Die Kirche hinter der Flussbiegung liegt in einem Buchenhain; wie im Märchen tauchen ein paar Schlösser im Frühnebel auf: Das ist Lomnitz (wo auch die Zedlitze ein paar Jahre gelebt haben, aber nur von 1590 bis 1600…). Kaum zu glauben, dass diese wundervolle Landschaft nur drei, vier Autostunden von Berlin entfernt liegt. Für amerikanische Verhältnisse wäre das ein Tagesausflug! Aber man kann inzwischen überall sein Haupt betten - wenn man bereit ist, Zimmerpreise zu bezahlen, die ganz und gar auf westeuropäischem Niveau liegen, und das durchaus zu Recht. Um beim Beispiel von Lomnitz zu bleiben: Hier konnten die Nachfahren der letzten Besitzer, die Familie Küster, den einstigen Familienbesitz vor dem völligen Verfall retten. Es ist eine abenteuerliche Geschichte, die Elisabeth von Küster erzählt, wie sie und ihr Mann noch als Studenten versucht hatten, mit ein paar Freunden den meterhohen Schutt auf Schubkarren aus dem Hauptschloss zu räumen - so ging das nicht. Geld musste her, und das, obwohl man damals als Deutscher noch kein Eigentum in Polen erwerben durfte. Renovieren allerdings, das erlaubten die Behörden. Elisabeth krempelte die Ärmel hoch, richtete das weniger zerstörte Witwenschlösschen nebenan zu einem exquisiten, florierenden Hotel her, brachte nebenbei fünf Kinder zur Welt, die fließend polnisch und deutsch sprechen, und betrachtet liebevoll ihren Mann, wenn er am Wochenende sein Richterdasein in Görlitz unterbricht, um auf den riesigen Parkwiesen mit verklärtem Gesicht den Rasen zu mähen. Inzwischen ist das Hauptschloss Ort deutsch-polnischer Begegnung und der Aufarbeitung gemeinsamer Geschichte. Ganz in der Nähe liegt das sehenswerte Breslau, was für ein Glück, denn damit kriege ich wieder den Bogen nach Friedenau: Nicht umsonst nennen wir einen Breslauer Platz und im Rathaus einen Schlesischen Saal unser eigen - echte Friedenauer sollten also unbedingt die Ausstellung von Christine Pöttker über "Mystische Augenblicke im Hirschberger Tal" sehen; die Fotos sind auch käuflich zu erwerben! bis zum 14. November montags bis freitags
von 9 bis 18 Uhr Literatur: Arne Franke, Das Schlesische
Elysium Sanna von Zedlitz . |
||||