Grabpatenschaften auf dem Alten St. Matthäus-Kirchhof

Kunst und Tod: Patenschaften einmal anders

Mitte September, am "Tag des Offenen Denkmals", wurde auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof an der Großgörschenstraße 12-14 der Öffentlichkeit ein Projekt vorgestellt, das zwei gegensätzliche Themen beinhaltet und zu einem neuen, sinnvollen Zweck zusammenführt: Kunstwerke erhalten und Bestattungskultur pflegen. Inzwischen gibt es eine positive Resonanz zu verzeichnen.

Der Alte St.-Matthäus-Kirchhof ist uns Schönebergern mit seinen mehr als 150 historischen Grabstätten als eine Art "Promi-Friedhof" bekannt. Die Sprachwissenschaftler Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859), der Mediziner Rudolf Virchow (1821-1902), der Komponist Max Bruch (1838-1920) sind nur einige der vielen bekannten Persönlichkeiten, die hier ihre letzte Ruhe fanden. Die Daten lassen erkennen, dass mit "Promi" hauptsächlich die Verstorbenen gemeint sind, die Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts in der Berliner Gesellschaft Rang und Namen hatten.

Mit der Kriegszerstörung des Villenviertels am Tiergartenrand, das zur St.-Matthäus-Gemeinde gehörte und deren zu Lebzeiten wohlsituierte Bewohner hier auf dem Kirchhof liegen, verschwand eine gediegene Bestattungskultur, die in üppigen Mausoleen gipfelte. Namhafte Künstler gestalteten die Grabdenkmäler, die jetzt seit mehr als einem halben Jahrhundert der Witterung ausgesetzt sind, so dass Kalk- und Sandstein, weißer und schwarzer Marmor, silberne und goldene Inschriften Spuren des Zerfalls aufweisen. Restaurierungsarbeiten sind kostspielig, also werden Sponsoren gesucht...
Initiative zur Erhaltung

Vor zwei Jahren wurde der Verein EFEU e.V. gegründet, deren Mitglieder in akribischer Kleinarbeit eine Bestandsaufnahme der Grabstätten zusammentrug: Lage, Alter, baulicher Zustand, Namen der dort Bestatteten wurden registriert. Auf der Veranstaltung im September bedankte sich Bezirksstadtrat Oliver Schworck bei den Hauptakteuren Brigitte Rohde und Manfred Sährig für ihr ehrenamtliches Engagement. Der anschließende Rundgang wurde von Dr. Jörg Kuhn vom Landesdenkmalamt geführt, der aufgrund seines außerordentlichen Fachwissens wie kein Anderer die Berliner Friedhofsgeschichte vermitteln kann.

Die aufgenommenen Daten der Gräber sind nunmehr öffentlich zugänglich, weil man Interessenten sucht, die eine Grabanlage hegen und pflegen wollen. Dazu gehört die Übernahme der Restaurierungskosten, aber auch die Bepflanzung und Pflege der Grünfläche.

Im Gegenzug kann der "Grabpate" sich dort selbst bestatten lassen. Auf diesem Friedhof ist schon die Idee des "Freundschaftsgrabes", dass analog zu einem Familiengrab die Bestattung mehrerer Personen zulässt, umgesetzt worden, so das dies auch eine Möglichkeit bei der Übernahme einer Grabpatenschaft ist. Dieses Angebot richtet sich besonders an Mitglieder homosexueller Gemeinschaften, die schon in den letzten Jahren aufgrund der Nähe zum Kiez rund um die Motzstraße diesen Friedhof als den zu ihrer Gemeinde (neudeutsch "community") gehörenden entdeckt haben.
Information

Unter www.grabpatenschaften-berlin.de erhalten Sie dazu nähere Information, die Mitarbeiter der Kirchhofsverwaltung der Ev. Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde, Lutz Mertens und Yvonne Zimmerer (Tel. 781 18 50) stehen aber auch als Berater gerne zur Verfügung. Eine Katalogfassung der inventarisierten Gräber liegt in der Kirchhofsverwaltung (Kolonnenstraße 24-25) und im auf dem Friedhof gelegenen "Café finovo" aus.

Die Initiatoren des Projektes hoffen auf großen Zuspruch, wenngleich beispielsweise die Deutsche Bahn die Restaurierung der Grabstätte des "Eisenbahnkönigs" Strousberg nicht mit dem Betrag gefördert hat, den man sich erhoffte. Doch in den letzten Wochen haben sich schon zwei bis drei Interessenten gemeldet, die sogar die mit hohen Restaurierungskosten verbundenen Grabstätten übernehmen wollen. Ein erster Erfolg für alle Beteiligten! Herr Mertens als Vertreter der Kirchhofsverwaltung ermuntert trotzdem weiterhin alle interessierten Leser, sich die Grabstätte ihrer Wahl - egal ob groß oder klein, egal ob als rein denkmalpflegerisches Objekt oder zur Eigennutzung - auszuwählen und als Pate zu übernehmen.

Marina Naujoks

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November 2008  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis