Schönebrger Pflänzchen
Der Kleistpark

Zufriedenheit im unserem Bezirksamt: Die gartendenkmalpflegerischen Arbeiten im Kleistpark sind fertiggestellt, die Anlage erstrahlt in neuer/alter Pracht! Auch die Kolonnaden sind vollständig restauriert worden. Zeit also, sich an die Geschichte dieser städtebaulichen Schmuckstücke zu erinnern:

Küchengarten und Experimentierfeld
Der dreißigjährige Krieg (1618-1648) hinterließ in Brandenburg Verwüstungen - Namen wie "Wüste Mark" stammen aus jener Zeit - und damit verbunden Hungersnöte. Zum Glück für die Bevölkerung herrschte ein tatkräftiger Kurfürst, der das Land wieder nach vorne bringen wollte (später wurde Friedrich Wilhelm auch der "Große Kurfürst" genannt), was ihm nach Jahrzehnten mühevoller Arbeit auch gelang. Seine Residenz war das Stadtschloss in Mitte, im dortigen Lustgarten wurde schon mit exotischen Früchten experimentiert. Zitrusfrüchte wurden erstmals importiert und in Orangerien gehegt und gepflegt.
Damals kristallisierte sich heraus, dass die aus Amerika stammende Kartoffel als Nahrungsmittel auch für die hier ansässige Bevölkerung tauglich ist, aber erst der "Alte Fritz", Friedrich II. verhalf dieser Knolle rund hundert Jahre später zur weiten Verbreitung in Preußen.

Doch zurück zum Großen Kurfürsten: Seine Spazierritte führten ihn auch nach Schöneberg, wo auf dem Gelände des heutigen Kleistparks Hopfen angebaut wurde (Bier is´ ooch Stulle?). Sein Hofbotaniker Dr. Elßholz (nun wissen Sie, wer Namensgeber der anliegenden Straße war) wurde beauftragt, dieses etwa sieben Hektar große Gelände zum Hof- und Küchengarten umzugestalten. Hier sollte modellhaft ausprobiert werden, was später in der ganzen Provinz verbreitet werden sollte. So ist hier der erste Standort für botanische Forschung in Preußen entstanden. Im 18. Jahrhundert war der "Königliche Botanikus", Professor Gleditsch (noch ein Straßenname), mit der Leitung der Anlage betraut.

Adelbert von Chamisso
Und noch ein bekannter Name taucht hier auf, den die meisten Leser eher mit der Geschichte von Peter Schlemihl und seinem verkauften Schatten in Verbindung bringen: Adelbert von Chamisso (1781-1838), ein adeliger Flüchtling aus Frankreich (glücklicherweise kamen nicht alle Grafen unter die Guillotine). Seine Familie suchte in Preußen ein neues Zuhause, aber nur er wurde dauerhaft hier heimisch.

Trotz seines Erfolges als Schriftsteller waren die (sich erst entwickelnden) Naturwissenschaften sein Hauptgebiet, er studierte Botanik, Zoologie und Medizin. 1815 brach er zu einer dreijährigen Weltreise auf und brachte eine Sammlung von 2500 getrockneten Pflanzen und Sämereien mit, zum Teil völlig unbekannte Arten.
Solche Pionierarbeit verhalf ihm zu einer Anstellung als "Adjunkt und Zweiter Kustos" - was so viel wie Stellvertretender Direktor war - im Botanischen Garten auf dem Gelände des heutigen Kleistparks. Später wurde er sogar "Erster Kustos".

Seine Dienstwohnung lag gleich gegenüber, auch sein Privatleben ist überliefert: Erst eine leidenschaftliche Liebesheirat mit Antonie Franziska Piaste, dann eine große Ehekrise, wieder Versöhnung. Beide starben relativ jung und liegen in einem Ehrengrab auf dem Friedhof der Jerusalemsgemeinde am Halleschen Tor.

Repräsentative Parkanlage
Anfang des 20. Jahrhunderts rückte die Bebauung immer dichter an den Garten heran, für botanische Zwecke wurde die Fläche zu klein. 1906 zog der Botanische Garten nach Dahlem. Als Begründung wird auch darauf hingewiesen, dass Deutschland (kurze Zeit!) Kolonialmacht war und die Forschung sich auf ganz neue Regionen konzentrierte.

Nun wurde hier in den Jahren von 1909-11 ein repräsentativer Stadtpark angelegt. Entwurfsverfasser war Albert Brodersen. Die stolzen Schöneberger (Bildungs-) Bürger beschlossen zum 100. Todestag von Heinrich von Kleist (1777-1811), den Park nach ihm zu benennen ("Chamisso-Park" hätte ich passender gefunden). Das in den Folgejahren - kurz vor dem Ersten Weltkrieg - durch das Architekten-Team Paul Thoemer, Rudolf Mönnich und C. Vohl errichtete Gerichtsgebäude im neobarocken Stil ergänzt die Anlage wie ein Schloss, die Königskolonnaden wirken wie die Pförtnerhäuschen eines Feudalsitzes. Dabei hatten sie früher eine andere Funktion...

Die Königskolonnaden hatten zu jenem Zeitpunkt schon ihre "Geschichte" hinter sich. Die 1777-80 von Carl von Gontard entworfenen und Georg Friedrich Boumann ausgeführten Gebäude gehören zu einem seinerzeit gängigen Vorläufertypen der heutigen Einkaufsarkaden. Sie standen am Alexanderplatz und säumten die Königsstraße vor dem Königstor. Kleine Läden waren auf den straßenabgewandten Seiten angeordnet, so dass schon damals bei Regenwetter der Einkaufsbummel nicht ins Wasser fiel. Wie das so ist mit kleinteiligen Strukturen, irgendwann mussten die Kolonnaden einem größeren Gebäude, nämlich einem Wertheim-Kaufhaus, weichen. Über ihre spektakuläre Umsetzung wegen ihrer kunsthistorischen Bedeutung - feinstes Rokoko im Übergang zum Klassizismus! Griechische Gottheiten wie Hermes und Hygieia in Seehauser Sandstein abgebildet! - war seinerzeit (1910) mindestens so eifrig diskutiert worden wie über das Verschieben des Kaisersaals im Sony-Center in den 1990er Jahren.

Nach der unendlichen Sanierungsgeschichte können wir uns wieder an dem Anblick der Kolonnaden erfreuen!

Weitere zugezogene Kunst: Die beiden Reiterstandbilder vor dem Gerichtsgebäude standen früher vor dem Berliner Stadtschloss. Im Berliner Volksmund wurden sie "Der gehemmte Fortschritt" und "Der beförderte Rückschritt" genannt. Wenn man bedenkt, dass sie 1842 ein Geschenk des Zaren waren und so vielleicht ein Symbol für die deutsch-russischen Beziehungen darstellen, kann man sich auch andere Namen mit aktuellem Bezug ausdenken....
Aber lassen wir die historischen Betrachtungen an dieser Stelle, die angrenzenden Gebäude würden noch unendlichen (Geschichts-) Stoff bieten. Versuchen Sie, am Tag des Offenen Denkmals (12.-14.9.2008) unter fachkundiger Führung weiterzuforschen (auch wenn der Anmeldeschluss bei einigen Veranstaltungen zum Redaktionsschluss verstrichen ist). Das Gerichtsgebäude und das Gebäude der Sophie-Scholl-Schule sind weitere, sehr interessante Themen. Zur Schulgeschichte erfahren Sie schon jetzt mehr in der neu erschienenen Schulchronik. Mehr im Internet unter www.tag-des-offenen-denkmals.de

Marina Naujoks

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September 2008  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis