Ein Freizeittipp zum Frühlingsanfang oder: Wie man mit ehrenamtlichem Tun Harmonie(n) erzeugt

Foto: Thomas Protz

Apostolische Klänge an der Kurfürstenstraße

Mittwochabend an der Kurfürstenstraße gegenüber dem Parkplatz des Möbelhauses Genthiner Straße: Die Szenerie wirkt abweisend, fast menschenleer - nur drei Damen in Lackmänteln und hohen Stiefeln warten vergeblich auf Kundschaft. Autos rollen träge durch den Nieselregen, ein Mann torkelt den Häuserblock entlang, Hunde kläffen ihm nach. Die ziegelrote Backsteinkirche leuchtet unbeeindruckt am Rande des Geschehens. Doch plötzlich füllen sich die leeren Fahrradständer auf dem eben noch verwaisten Kirchvorplatz mit Rädern, mal sportlich, mal Modell ‚Oldtimer', hier ein Kindersitz, dort ein Einkaufskorb: Junge und ältere Menschen sammeln sich vor dem Neubau seitlich des Kirchplatzes, grüßen, rufen, lachen, ein Raucherkreis formiert sich, andere verschwinden schon im benachbarten Backsteingebäude.
Das rätselhafte Treiben ist schnell aufgeklärt: Jeden Mittwoch halb acht trifft sich hier der Zwölf-Apostel-Chor der Evangelischen Kirchengemeinde zur Gesangsprobe.

Chorleiter ist seit vier Jahren der Kirchenmusiker Christoph Claus, 26 Jahre jung und in Sachsen, zunächst ‚Karl-Marx-Stadt', später Chemnitz, aufgewachsen. Wie kam er zur Kirchenmusik? Mit sechs begann der Klavierunterricht, ab 14 Jahren lernte er Posaune. „Damals war es einfach cool, zum Posaunenchor zu gehen“, erinnert er sich. „Im Posaunenchor haben wir direkt neben der Orgel gespielt“ - so lag der Wechsel zur Orgelmusik wortwörtlich nahe. Auch waren beide Eltern zu DDR-Zeiten in der Kirche aktiv, was Restriktionen nach sich zog; trotzdem: „In der Erzgebirgsregion ist die Kirchenkultur viel stärker verwurzelt“, erzählt Christoph Claus. Nach dem Abitur, das er 2002 in Schulpforta bei Naumburg mit den Schwerpunkten Musik und Mathematik ablegte, folgte der Zivildienst in der Obdachlosenarbeit der Bahnhofsmission Chemnitz, danach das Studium der Kirchenmusik an der Universität der Künste in Berlin.

Mit dem Abschluss 2007 war's aber noch nicht genug: Neben der Tätigkeit als Kantor der Gemeinde, also Organist und Chorleiter, studiert er - noch bis zum Sommer - ‚Kirchenmusik Stufe-A' an der Hochschule Hannover. Ach ja, Vater ist er auch geworden im letzten Jahr, wobei seine Frau Johanna, auch Kirchenmusikerin, hierbei, wie bei einigen der Choraktivitäten, großen Anteil trägt.

Begeisterung, die ansteckt
Im letzten Jahr ist der Chor auf über 30 Mitglieder gewachsen. Die zahlreichen kleineren Auftritte, Ereignisse, Treffen und die Schaffensfreude, mit dem der Kantor das Programm abwechslungsreich gestaltet, bewegte viele zum Bleiben; seine Begeisterung steckt an. So organisierte er 2008 die ‚Festwoche zum 40. Geburtstag der Orgel', in deren Verlauf über 500 Besucher in die Kirche kamen, sowie eine mehrtägige Chorfahrt nach Usedom, baute die Chorangebote aus, wirkte mit bei Events in der Kirche, wie der ‚Politikerkanzel'.
Chorauftritte bei Projekten des Bezirks, wie dem ‚Kiezfrühling' in der Kurfürstenstraße und der ‚Mediterranen Sommernacht', aber auch das Adventssingen im Pflegeheim gehören dazu. Im Gemeinwesen auch nach ‚außen' zu wirken, ist ihm ein Anliegen. So wird der Chor sich auch 2009 musikalisch an Aktionen des Quartiersmanagements beteiligen. Zum Herbst plant er eine neue Kindergruppe zur musikalischen Früherziehung, im November, wenn möglich, eine Chorfahrt zusammen mit dem Orchester zur Vorbereitung von Händels Messias für die Adventskonzerte.

Mut zu Unbekanntem
Zum Kernrepertoire gehört die „Klassische Kirchenmusik des 17. bis 19. Jahrhunderts, mit zeitlichen Ausflügen vor und zurück“, wobei der Chorleiter nicht nur den ‚Mainstream' im Sinn hat (s.u. ‚Konzerte': Passion von J. G. Kühnhausen!). Zu den größeren Aufführungen begleitet ein Kammerorchester. 2008 sang der Chor die ‚Missa Brevis' von Haydn, Mozarts ‚Magnificat' und ‚Te Deum' von Langlais, ‚mit Pauke und Trompete'. In der Sommerpause gibt es für die anwesenden Mitglieder Streifzüge durch die weltliche Chormusik.

Was wird vorausgesetzt, wenn man Mitsingen möchte? - Der Gemeindechor versteht sich als offenes Angebot, d.h. alle, die Lust haben zum Singen, können kommen, unabhängig vom Glauben oder der musikalischen Vorbildung. Christoph Claus meint: „Singen kann jeder, der atmen und sprechen kann; es geht nur darum, die Techniken zu üben.“ Und dazu bietet dieser Chor jede Menge Möglichkeiten!

Woher nimmt Christoph Claus die Energie, so viel zu bewegen, mit großem Einsatz Chor und Gemeindearbeit zu verbinden? „Dass jeden Mittwoch 30 Leute kommen, die das gleiche Interesse haben, schöne Musik zur Aufführung zu bringen“, sagt er, das beflügelt ihn. Sein Ziel ist, die Menschen so ansprechen, dass sie freiwillig kommen. Was ihm offensichtlich sehr gut gelingt.

Also: Weitere Mitsängerinnen und -sänger sind stets willkommen: Nicht nur Markus, Lukas, Johannes, Thomas und Simon, selbstverständlich auch Mike und Metin, oder Apostelinnen, die stimmliche Harmonien im Sopran und in der Altlage erleben möchten.

Zwölf-Apostel-Chor-Angebote:
Einsteigerkurs für Chorneulinge    Mi., 18:45-19:30 Uhr
mit Christoph Claus
(Menschen ohne Chorerfahrung)

Chorprobe ‚Zwölf-Apostel'    Mi., 19:30-21:30   
mit Christoph Claus
(An der Apostelkirche 3, Kleiner Saal, U-Nollendorfplatz)

Blattsingkurs für Chormitglieder    Mi., 18:45-19:30
mit Jochen Sievers
(Gehörbildung/Notenlesen:
Kurs startet etwa halbjährlich)

Kontakt: claus@zwoelf-apostel-berlin.de, Tel. 3983 4121 oder 0175-8936100
Mehr Infos zum Gemeindechor, zur spannenden Geschichte und den heutigen Aktivitäten der Kirchengemeinde an der Kurfürstenstraße im Internet unter: www.zwoelf-apostel-berlin.de.

Konzerte des Zwölf-Apostel-Chors im April und Mai 2009:
Gemeinsam mit dem Chor der Paul-Gerhardt-Kirche singt der Zwölf-Apostel-Chor die Matthäus-Passion von J. Georg Kühnhausen in zwei Gottesdiensten:
Sonntag, 5. April, Gottesdienst ab 10 Uhr, Paul-Gerhardt-Kirche Alt-Schöneberg, Hauptstr. 47, 10827 Berlin (moderner Betonbau), Anfahrt: S-Bahn: Schöneberg; diverse Busse: Haltestelle Haupt- / Dominicusstr.

KARFREITAG, 10. April, Gottesdienst ab 15 Uhr, Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin, U-Bahn Nollendorfplatz.

Sonntag, 10. Mai, 18 Uhr: CHOR-KONZERT der Chöre des Schöneberger Kirchenkreises zum 200. Geburtstag Mendelssohn Bartholdys; Ort: Kirche Zum Guten Hirten, Bundesallee 76a, U-Bahn Friedrich-Wilhelm-Platz (Eintritt frei).

Elke Weisgerber

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April 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis