Auf dem Weg zum Bürgerhaushalt


Ein Martinszug durch den Bezirkshaushalt

Der Laternenumzug zum Martinstag hat auch in Friedenau wieder seinen gewohnten Weg gefunden. Von der katholischen St. Marien-Kirche ging es unter den Klängen zweier Bläsergruppen auf den Hof der Rheingauschule, wo am Lagerfeuer des 4. Jahrhunderts der römische Feldhauptmann seinen Mantel mit einem Bettler teilte, bevor er zu Pferde den Zug zum evangelischen „Guten Hirten“ führte.

Am Altar der Kirche wurden dann im Schein der vielen Lampions die Spielzeuggeschenke für arme Kinder versammelt. Denn, wie einst Martin, hatten auch die Laternen-Kinder geteilt.

Ganz anders ging es dagegen bei den Haushaltsberatungen des Bezirks zu. Schon in der ersten Sitzung des Hauptausschusses gab es betretene Gesichter, denn das Land Berlin hatte einmal mehr die Teilung der eigenen Schuldenlast durch pauschale Minderzuweisungen an die Bezirke in Millionenhöhe verfügt, statt wie einst Martin, den eigenen Mantel zu teilen.

Der Bezirksmantel als Senatsbeute

Sichtlich betroffen stellte Bürgermeister Band (SPD) dazu fest: „So kann man die Verwaltung erdrosseln!“ Und auch der Leiter der Finanzen Behnke machte den Bezirksverordneten keinerlei Hoffnung: „Wir haben ganz genau die Minderzuweisung zu ertragen!“

So kam es in den folgenden Sitzungen des Hauptausschusses dann ganz zwangsläufig zu den Kürzungsvorschlägen der Abteilungen, zu Berichtsaufträgen der Parteien und zu Änderungsvorschlägen. Aber im Zuge der Beratungen wurde immer deutlicher, was der auferlegte Sparzwang für die weitere Arbeit im Bezirk bedeutet - was Stadträtin Dr. Sibyll Klotz (Bündnis `90/Grüne) für ihre Abteilung Gesundheit und Soziales folgendermaßen zusammenfasste: „Dies ist der erste Haushalt, der nicht mehr die Aufgaben des Bezirks erfüllen kann!“

Nunmehr seien Leistungen der Ämter zu kürzen. Früherkennungsuntersuchungen der 3-4 -Jährigen und Einschulungsuntersuchungen seien nun nur noch zu vielleicht 50% möglich. Freie Stellen würden nun nicht mehr besetzt, pflichtete Stadträtin Angelika Schöttler (SPD) von der Abteilung Jugend, Familie und Sport bei, was in der Jugendhilfe dazu führen wird, dass eine Absenkung der Sozialpädagogikstellen in den Schulen stattfindet. Auch in der Freizeitpädagogik werde es zu Eingriffen kommen. „Solche Projekte sind aber nicht nur ganz nett“, erinnerte sie die gemeinsam Trauernden, sondern „unterlassene Hilfen können Defizite zur Folge haben, die woanders wieder Kosten verursachen werden.“
In dieser gleichen Not hatte Stadtrat Dieter Hapel (CDU) die Einsparungsidee, die Gartenbauschule von seiner Bildungsabteilung in das Ressort für Natur und Umwelt von Stadtrat Oliver Schwork (SPD) zu überführen. Doch auch der erklärte für seine Abteilung Bürgerdienste, Ordnungsaufgaben, Natur und Umwelt das Ende der Fahnenstange. Die Personaldecke sei seit dem Bezirkszusammenschluss im Jahre 2003 auf die Hälfte zusammengestrichen worden: „Noch mehr geht nicht!“

Nach einer kontroversen Schlussaussprache im Parlament wurde der Haushalt am Ende mit den Stimmen der CDU und SPD gegen die Stimmen der Grünen („viel Glaube, viel Hoffnung“) und der FDP („Wer etwas kaputtmacht, muss dafür auch die Verantwortung übernehmen“) angenommen. Der Bürgerhaushalt dagegen erhielt in derselben Sitzung von allen Parteien die Zustimmung.

Reicht der Mantelrest für den Bürgerhaushalt?

Auf dem Martinszug der Laternenkinder hatte Pfarrer Moll in Anspielung auf das gemeinsam gesungene Laternenlied den Kindern in der Kirche gesagt: „Hier unten leuchtet ihr, und da oben leuchten die Sterne.“ Wie zur Bestätigung waren die neunzig Einreicher der Vorschläge zum Bürgerhaushalt noch einmal in die BVV eingeladen worden, um ihre Ideen im Angesicht der politischen Bezirkssterne zum Leuchten zu bringen. Bürgermeister und Parteien begrüßten noch einmal deren Engagement und versprachen Unterstützung. Doch wie könnte eine solche Unterstützung angesichts der Haushaltslage aussehen?
Da die allermeisten Vorschläge nicht mit Geld, sondern mit gutem Willen zu meistern wären, ist ein offenes Wort an die Bürger angesagt, das vielleicht, wie bei den Laternenkindern, besser von einem Pfarrer gesprochen werden sollte. Denn, die Lage kann nur durch das Teilen bewältigt werden.

Wenn etwa, wie im Vorschlag eines Bürgers vorgetragen, den gesundheitlichen Schäden infolge von Bewegungsmangel bereits in der Kita durch Sportangebote begegnet werden soll, so kann dies nur durch den Einsatz von Ehrenamtlichen gelingen, weil nun mal kein Geld da ist. Hier könnten Sportvereine angesprochen werden, in jeweils einer Kita die Patenschaft für Spiel, Sport und Bewegung zu übernehmen. Ihr Lohn würde in der später erfüllten Hoffnung auf neue Mitglieder bestehen.

Die politische Aufgabe des Bezirks könnte sich hier wie auch in den meisten anderen Vorschlägen auf die Vermittlung von Interesse und Interessierten beschränken, wofür es im Amt sogar einen festen Arbeitsbereich „Ehrenamt“ gibt. Nur wäre zur Aktivierung dieser Möglichkeit auch ein politischer Wille vonnöten. Und genau hier zeigt sich die Aktualität Martins: Sich selbst für zuständig erklären und durch das Teilen der eigenen Möglichkeiten Abhilfe schaffen. Rabimmel, rabammel, rabumm!

Ottmar Fischer

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Dezember 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis