Bücher, Orte, Menschen - Eine Spurensuche (1)

Sie helfen - auch bei ausgefallenen Wünschen: die freundlichen Mitarbeiter der Medienpoints. Foto: Thomas Protz

Die Medienpoints

„Ich gehe heute zum Medienpoint!“ - das klingt zuerst schon ein wenig merkwürdig. Medienpoint hört sich nicht ganz zufällig wie „Meeting point“ an. Einen Treffpunkt in der Nachbarschaft wollen die Medienpoints nämlich anbieten.

Sie heißen „txtr reader“ oder „Kindle“ und sie sollen die Zukunft sein: elektronische Lesegeräte, auf denen man bis zu 300 Bücher speichern kann. Adé also ihr Umzugskisten mit den dicken Wälzern! Texte, Bücher, Zeitungen werden nur noch aus dem Internet geladen und abgespeichert. In der Musik ist es ja schon längst so. Vielleicht sind Bücher aber Medien, die sich nicht so leicht abschaffen lassen. Vielleicht sieht die Zukunft deshalb so aus, dass es immer mehr Oasen geben wird, in denen der Entschleunigung gehuldigt wird. Wer mit einem Klick 300 Bücher abspeichern kann, hat deshalb lange noch nicht die Muße oder Zeit, diese auch zu lesen. Dafür braucht es Orte, an denen man genüsslich und womöglich auch gut beraten das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt finden kann. Ich werde in loser Reihenfolge in der Stadtteilzeitung einige solcher Orte vorstellen. Besonders gerne berichte ich heute über ein Angebot, das nicht den materiellen Wert von Büchern in den Mittelpunkt stellt, sondern den Anspruch hat, alle Menschen kostenlos mit geeignetem Lesestoff zu versorgen.

„Ich gehe heute zum Medienpoint!“ - das klingt zuerst schon ein wenig merkwürdig. Medienpoint hört sich nicht ganz zufällig wie „Meeting point“ an. Einen Treffpunkt in der Nachbarschaft wollen die Medienpoints nämlich anbieten. Bücher und andere Medien werden dort gesammelt und weiter gegeben. Medienpoints sind also Umschlagplätze für alles, was die einen nicht mehr brauchen, und andere möglicherweise sehr gerne haben möchten. Aninka Ebert, die Projektkoordinatorin der Medienpoints in den südlichen Bezirken, erklärt, dass besonders einkommensschwache Menschen von diesem Angebot profitieren. Die Medien werden kostenlos abgegeben, pro Besuch und Besucher dürfen bis zu drei Medien mitgenommen werden. „Es soll sich aber niemand als bedürftig ausweisen müssen, wir wollen grundsätzlich allen Menschen offen stehen!“, betont Ebert. „Es ist ohnehin so, dass diejenigen, die es sich leisten können, Bücher zu kaufen, als Gegenleistung häufig auch Bücher vorbeibringen. So gleicht sich das sowieso wieder aus!“ Es wird aber darauf geachtet, dass kostbare Kleinode wie Erstausgaben nicht von Schnäppchenjägern oder professionellen Händlern weggeschnappt werden. Besondere Bücher werden gesammelt und dann zum Beispiel Fachbibliotheken angeboten.

Beide Standorte der Medienpoints in Steglitz und Schöneberg befinden sich in ehemaligen Ladenwohnungen. Ein Steuerbüro sei früher in diesen Räumen im Souterrain gewesen, erzählt eine Mitarbeiterin in der Deitmerstraße. Jetzt sind hier Bücher in Regalen untergebracht, die ein Mitarbeiter mit großem Engagement passgenau aus Brettern zusammen gebaut hat. Die Sachbücher sind nach Themen, die Belletristik alphabetisch nach Autoren geordnet. Mehrere Reihen sind allein Kinder- und Jugendbüchern gewidmet. An beiden Standorten ist deutlich zu merken: hier sind Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Sorgfalt und Liebe am Werk.

Stöberstübchen für Bücherfreunde sind die Medienpoints: sie laden zum Verweilen ein und angesichts der großen Auswahl wird man bestimmt fündig. Spiele, Kassetten, Videos und CDs gibt es hier im Übrigen auch. Es wurde eine Onlinedatenbank mit Fachbüchern angelegt, so dass eine Recherche mit Hilfe der Mitarbeiter möglich ist. Sucht man also ein bestimmtes Buch, sollte man sich nicht scheuen, nachzufragen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr bemüht, Kundenwünsche zu erfüllen und versuchen gesuchte Bücher in einem der zehn Medienpoints zu finden. Darüber werden auch Schulen und andere öffentliche Orte mit Büchern versorgt. Vorleseaktionen und Büchertische werden organisiert. „Schulen können sich gerne bei uns melden, wenn sie z. B. beim Tag der offenen Tür einen Büchertisch anbieten wollen. Wir bemühen uns sehr, Schulen mit Lesestoff zu versorgen!“, sagt Ebert. Auch Einrichtungen wie „Leib und Seele“ erhalten Bücher von den Medienpoints.

Der Träger des Projektes ist der Kulturring in Berlin e. V., ein gemeinnütziger Verein, der verschiedene Kultur- und Kunstprojekte initiiert. Personell werden die Medienpoints von den Jobcentern der jeweiligen Bezirke finanziert. Die Mitarbeiter sind oftmals Lang-zeitarbeitslose, die in den Medienpoints die Möglichkeit haben, sich weiterzubilden. Viele eignen sich Know how rund um Bücher und Medien an, das sie auch in anderen Bereichen beruflich nutzen können.

In Schöneberg-Tempelhof finden Sie Medienpoints in der Crellestraße 9 (am Kaiser-Wilhelm-Platz) und in der Kunigundenstraße 1 (Nähe Ufa-Fabrik), in Steglitz in der Deitmerstraße 8 (am U-Bahnhof Schlosstraße) und in der Lorenzstraße 57 (Nahe Kranoldplatz). Im Internet können Sie alle Anschriften unter www.kulturring.org/foto-medien.htm finden.

Die Medienpoints sind von Mo - Fr 9-18 Uhr geöffnet. Medienspenden können vorbeigebracht werden, für größere Mengen gibt es einen Transportservice. Näheres ist unter 76 76 58 70 (Crellestraße) oder 50 15 45 15 (Deitmerstraße) zu erfahren.

Isolde Peter

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Dezember 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis