Gewerbe im Kiez: Restaurierungsatelier in der Schmargendorfer Straße


Tischlers Tradition


Es liegt in der Natur des Menschen sich darüber zu freuen, wenn das von ihm Geschaffene nicht einfach untergeht, wenn seine Leistung gewürdigt wird, indem ein anderer auf gleiche Weise das Werk fortführen will. Eberhard Weiss hat diese Freude gleich zweimal erleben dürfen. Das eine Mal, als er die Tischlerei in der Schmargendorfer Straße von einem alten Meister übernahm, und nun wieder, da er seinem jungen Nachfolger bei der Werkstattsübernahme behilflich ist.
Tischlerei - das stimmt natürlich nicht. Aus der schlichten Holzbearbeitung von einst, deren wichtigstes Handwerkszeug 32 (!) gewaltige Hobel zu sein schienen, wie Weiss schmunzelnd berichtet, ist längst eine Restaurierungswerkstatt geworden, deren Arbeitsweise sich von der des - sagen wir mal - 18. Jahrhunderts nicht wesentlich unterscheidet: Natürliches Licht, natürliche Materialien und sorgfältig gepflegtes Fachwissen, reine Handarbeit mit Feingefühl und Muskelschmalz. Da stört es nicht weiter, dass noch immer mit Öfen geheizt wird. Warm wird einem schon!

Wie wird einer Restaurator?
Heutzutage gibt es anspruchsvolle Studiengänge. Als Eberhard Weiss anfing, musste man sich den Sachverstand schon selbst beschaffen. Lesen, lesen, lesen natürlich. Sich mit anderen Fachleuten austauschen. Schauen, ganz genau betrachten, wie die Möbelbauer in den vergangenen Jahrhunderten gearbeitet hatten, wie sie die Schubladen zusammenfügten, aus welchen Hölzern die Furniere geschnitten, die Marketerien und Intarsien zusammengesetzt waren. Da kam der Autodidakt, der erst die Werkstatt gekauft und dann seine Lehre begonnen hatte - das nenne ich zielstrebig! - auch manchem musealen Irrtum auf die Spur. „Was da immer Mahagoni genannt wird, nur weil es dunkles Holz ist - stimmt oft gar nicht!“ erzählt Weiss. „Im Barock etwa wurde Pflaumenholz verwendet, denn bis dahin war Mahagoni nur als Ballastholz auf den Schiffen aus den überseeischen Kolonien bekannt. Bis man seine Verwendbarkeit erkannt hatte, dauerte es eine ganze Weile.“ Etwa 300 Sorten Mahagoni gibt es, und das für die jeweilige Restaurierung notwendige Holz herauszufinden, ist schon eine Kunst für sich. „Eigentlich gibt es noch heute jedes Holz nachzukaufen, bis auf eines“, sagt Eberhard Weiss und freut sich wieder einmal, wie sich Weltpolitik aus seinem Lieblingsmaterial herauslesen lässt. „Seit Brandrodungen auf Kuba, als die Amerikaner dort in großem Stil Zuckerrohrplantagen förderten, gibt es kein Kuba-Mahagoni mehr.“

Doch große Holzmengen werden ohnehin selten benötigt. Es gibt noch etwa zwei Betriebe in Deutschland, in denen das notwendige Furnier hergestellt wird, 5 mm dick statt 2 mm, wie es im modernen Möbelbau benutzt wird. Für kleine Reparaturstellen von wenigen Zentimetern Kantenlänge greift auch Michael Wintjen, der dieses Jahr den Betrieb übernommen hat, selbst zur Säge. Das rohe Stückchen Holz wird dann geglättet und so sorgsam eingepasst, dass man die Flickstelle kaum entdecken kann. Anschließend wird die Stelle mit Schellack überpoliert, mit dem seit etwa 1780 edle Möbel geschützt wurden - Schellack wird übrigens aus den Ausscheidungen einer indischen Laus gewonnen und löst sich in Ethanol.

Gerade bei Reparaturarbeiten zeigt sich der enorme Vorteil traditioneller Materialien. Knochen- oder Fischleim, mithilfe dessen die einzelnen Möbelelemente einst zusammengesetzt wurden,  lassen sich nämlich rückstandsfrei entfernen. „Chemische Kleber sind nicht so leicht wieder zu lösen. Da kommt es dann leicht zu Zerstörungen“, sagen die beiden Restauratoren und sind sich einig, dass ihnen so etwas nur in ganz seltenen Fällen ins Haus kommt, nämlich wenn - aber dann fällt ihnen gar kein rechtes Beispiel ein. Wenn also eine Schublade auseinandergenommen werden muss, um die Restaurierung fachgerecht durchführen zu können, sind sie heilfroh, wenn es nicht vorher schon ein fröhlicher Heimhandwerker mit Ponal versucht hat. Das merke ich mir!

Früher, so vor 30 Jahren, gab es noch einige andere Tischler im Dreh, und auch erheblich mehr Trödler, von denen Aufträge kamen. Doch inzwischen sind Antiquitäten aus der Mode gekommen, und Eberhard Weiss hat sich wohl halten können, weil er stoisch an seinen hohen Qualitätsansprüchen festgehalten und sich nie mit wilden Investitionen in ein unhaltbares unternehmerisches Risiko gestürzt hat. Michael Wintjen ist da ganz seiner Meinung. Und wer weiß, wenn der Möbelmarkt gerade günstige Einkaufsmöglichkeiten bietet, dann ist so eine fachgerechte Restaurierung bestimmt noch im Budget enthalten!

Restaurierungs-Atelier Wintjen, Schmargendorfer Str. 5, 12159 Berlin, Tel.: 40 989 743

Sanna v. Zedlitz

www.restaurierungs-atelier.de

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Juli-August 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis