Frühling in Friedenau
Friedenauer Geräuschkulisse

Endlich kann man wieder bei geöffnetem Fenster sitzen und die Vögel zwitschern hören! Die Friedenauer Geräuschkulisse dringt zu mir herein, die ich schon als Kind so liebte: Autos rauschen vorbei, ich höre die Stimmen und Schritte Vorübergehender, Kinder lachen und schreien, ab und zu bellt ein Hund, und aus dem kleinen Biergarten an der Ecke dringen Gespräche und Gelächter.

Früher war noch das Rasseln der Straßenbahnen in der Rheinstraße zu vernehmen, aber wie sich das anhörte, habe ich vergessen; nur an ihr Klingeln und das Quiet-schen ihrer Räder auf den Schienen, wenn sie aus der Kaiser(Bun-des-)allee in die Schloßstrasse einbogen, erinnere ich mich. Manchmal konnte man in den Dreißigern sogar noch Pferdehufgetrappel hören, und die Kleingärtner sammelten die Pferdeäpfel als Dünger für ihre Pflanzen ein, wenn wieder ein Fuhrwerk vorbeigekommen war aus den Dörfern der Umgebung, mit Obst und Gemüse für den Markt auf dem Lauterplatz, der heute Breslauer Platz heißt.

Als Kind wohnte ich direkt in der Rheinstraße, und mir will scheinen, dass die Geräuschkulisse lauter war als heute: die Rheinstraße war belebter (dafür die Schlossstraße ruhiger), es gab nicht so viele Autos, doch auch nicht gerade wenige; aber ihr Motorenlärm war lauter, und es wurde viel mehr gehupt als heute, wo dieses Geräusch fast vergessen ist. Vielleicht kommt mir das aber auch nur so vor, weil ich jetzt etwa 200m von der Rheinstraße entfernt lebe und mir so einbilden kann, dass der Lärm früher stärker war. Auf jeden Fall ist es heute auf den Höfen ruhiger: keine Leierkastenmusik mehr, keine singenden Bettler, denen man in Papier eingewickelte Groschen aus dem Fenster warf, und auch der Lumpensammler fehlt: "Lumpen, Flaschen, Knochen, Papier - der Lumpensammler ist hier!" Glücklicherweise gibt es auch kein Teppichklopfen mehr. Die Müllmänner tobten damals wie heute mit ihren Kästen durch Straßen und Hausflure - nur daß es damals Metallkästen waren - und auch die Flugzeuge aus Tempelhof waren nicht zu überhören. Doch das ist nun zum Glück vorbei... (Zur Zeit der Luftbrücke donnerte alle 4 Minuten ein sog. Rosinenbomber über die Rheinstraße, dicht über die Häuser!)
Abends ist es dann wieder ruhiger, ein paar verspätete Vogelrufe dringen aus den Bäumen, ein letztes Tauben-Grugru, und danach begrüßen sich noch einmal die Hunde auf ihrem letzten Spaziergang. Ich liebe meine Friedenauer Geräuschkulisse!

Sigrid Wiegand

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Juni 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis