Stolpersteine für jüdische Familie in Steglitz, die Opfer von Mord und Ausplünderung wurde


Gedenken an die Liepmannssohns


Mehr und mehr Stolpersteine liegen vor Berliner Häusern. Die goldfarbenen Steine mit Namen, Geburts- und Todesjahr erinnern an jüdische Nachbarn, Kollegen und Schüler, die dort wohnten, arbeiteten oder lernten, bevor sie verschleppt und ermordet wurden. Drei weitere Steine kamen jetzt in der Martinstraße 8 in Steglitz hinzu. Mit ihnen gedenken die Hausbewohner der Geschwister Emil, Johanna und Margarete Liepmannssohn, die bis 1942 hier lebten.

Der Anstoß kam von der Spiegelwand auf dem Hermann-Ehlers-Platz, auf der Namen und letzte Berliner Adressen ermordeter Juden eingraviert sind. Hier entdeckte Bruno Nieser aus der Martinstraße 8 seine Anschrift und die Namen der drei Liepmannssohns. Sie waren schon um die 70 Jahre alt, als sie am 19. Januar 1942 in einen ungeheizten Güterzug Richtung Riga gezwungen wurden. Möglicherweise erfroren oder verdursteten sie bereits auf dem Weg dorthin, starben aber spätestens im Getto von Riga, das von den 30.000 nach hier Deportierten nur wenige überlebten.

Der pensionierte Wissenschaftler Bruno Nieser fand im Brandenburgischen Landeshauptarchiv noch Akten der drei. Der Handelsvertreter Emil Liepmannssohn hatte seit 1911 in der Martinstraße gewohnt; seine Schwestern zogen später zu ihm. Nieser fand auch eine Enkelin Emil Liepmannssohns, die heute in Spandau lebt. Sie hatte im Alter von 6 Jahren ihren Großvater zuletzt gesehen und kann sich noch heute an den gelben Stern erinnern, den Juden damals an ihren Kleidern und Klingelschildern anbringen mussten. Und sie erzählt: "Noch heute kann ich mich daran erinnern, dass Großvater und die Tanten plötzlich verschwunden waren. Meine Mutter war sehr traurig. Aber sie schärfte mir ein, mit niemandem darüber zu sprechen."

Nach der Deportation versuchte Emil Liepmannssohns Tochter wenigstens die Habseligkeiten und das bescheidene Vermögen ihres Vaters zu retten. Als Erbin stand ihr beides zu; sie hatte aber keinen schriftlichen Nachweis für seinen Tod. Wie Nieser im Archiv ermittelte, verweigerten ihr darum die Behörden das Gut und Geld, das ihr zustand. Dazu Bruno Nieser: „Der Fall zeigt, wie sich Rassenwahn und Vermögensraub verbanden. Nach der Verschleppung brachte sich das Deutsche Reich auf eine Weise in den Besitz des zurückgelassenen Vermögens, die selbst nach den damaligen Gesetzen illegal war.“ Für die Hausbewohner in der Martinstraße zeigt der Fall auch, wie nahe Opfer und Täter oft nebeneinander lebten. Es sind von hier nur wenige Minuten zum Gebäude Unter den Eichen 126-135. Dort saß damals das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt, das die Zwangsarbeit und den Raub der Vermögen von KZ-Opfern organisierte.

Zu einer Feierstunde nach der Stolperstein-Verlegung in der St.-Matthäus-Gemeinde brachte Liepmannssohns Enkelin kleine Schwarzweißfotos ihres Großvaters und ihrer Tanten mit. 1939 feierten sie ein scheinbar idyllisches Weihnachtsfest und saßen gemeinsam vor dem Tannenbaum. Von der schon weit fortgeschrittenen Judenverfolgung und vom Krieg ist darauf nichts zu erkennen. So lange es ging, versuchten die Liepmannssohns in Steglitz ein ganz normales Leben zu führen.

Roland Stimpel

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Juni 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis