Fachleute diskutierten im Rathaus Schöneberg

Von der Integration zur Inklusion?
Fachtagung zur Zukunft des Wohnens und Lebens von Menschen mit geistiger Behinderung in Tempelhof-Schöneberg

Seit Januar 2007 läuft das Forschungsprojekt "Kundenstudie", das von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Kooperation mit dem Paritätischen Landeswohlfahrtsverband sowie der Eberhard Karls Universität Tübingen und gefördert durch die Aktion Mensch, noch bis zum Juni diesen Jahres durchgeführt wird.

Das Projekt zielt darauf ab, neue Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Strukturen in der Behindertenhilfe für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung zu gewinnen.

Nicht erst seit die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen auch in Deutschland per Gesetz zum 1.1.2009 Gültigkeit hat, wird in Fachkreisen und der Praxis zunehmend unter einem anderen Blickwinkel die Situation von Menschen mit Behinderungen diskutiert. Es heißt immer öfter "Von der Integration zur Inklusion". Was kann man darunter verstehen?

Neu bei der Zielrichtung Inklusion ist die sozialräumliche Orientierung, die Konzepte favorisiert, die auf mehr Selbstbestimmung und Teilhabe der Menschen mit Behinderungen in ihrem jeweiligen Kiez Wert legen. Hier sollen sich Menschen mit Behinderungen genau so zu Hause fühlen wie Menschen ohne Behinderungen. Dazu gehört die selbst gewählte Wohnform ebenso wie die Teilhabe an allen sozialen und kulturellen Möglichkeiten, die sich im eigenen Kiez so bieten und vor allem die selbst gewählten sozialen Kontakte, die sich aus Freizeitaktivitäten, die auch außerhalb der Behinderteneinrichtungen stattfinden, ergeben. Lebenssituation und Lebensperspektiven von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung werden so nicht mehr nur als Aufgabe der Behindertenhilfe, sondern auch als Aufgabe des Stadtteils begriffen.

Genau hier setzt das Projekt "Kundenstudie" mit seinem Schwerpunkt der differenzierten, praxisbezogenen Untersuchungen an. Ausgehend von Einzelbefragungen von im Kiez lebenden Menschen mit geistiger Behinderung wurden mit ihnen gemeinsam Stadtpläne entwickelt, die jeweils die Punkte markieren, die regelmäßig von den Interviewten angelaufen werden, wie z. B. Arbeitsstätten, Freizeiteinrichtungen, Geschäfte etc.. Es wurde auch erfragt, was sie sich für die Zukunft an ganz konkreten Angeboten und Möglichkeiten noch wünschen.

Parallel dazu wurden die regionalen Angebotsstrukturen und die Verfahren zur Ermittlung des Unterstützungsbedarfs qualitativ analysiert.

Diese Ergebnisse wurden im Rahmen der Fachkonferenz am 11. März im Rathaus Schöneberg rund achtzig Teilnehmern vorgestellt. Bemerkenswert und bisher wohl einmalig war die personelle Zusammensetzung der Konferenzteilnehmer, die ganz im Sinne der sozialräumlichen Orientierung eben nicht nur aus dem Bereich der Behindertenhilfe kamen. An diesem Tag waren auch Menschen mit Behinderung, deren Angehörige, Vertreter aus Stadtteilzentren und Nachbarschaftstreffs sowie Teilnehmer aus den Bereichen Fachverwaltung und Kommunalpolitik aktiv anwesend. 

Wesentliches Anliegen des Treffens, das von der Bezirksstadträtin Dr. Sybille Klotz eröffnet wurde, war die Erarbeitung von gemeinsamen Ideen und konkreten Schritten, die die Teilhabe von Menschen mit geistigen Behinderungen am Leben in Tempelhof-Schöneberg verbessern können. Hierzu wurden Arbeitsgruppen gebildet, die sich u. a. auch mit der besonderen Situation von Menschen mit geistigen Behinderungen mit Migrationshintergrund beschäftigten, da sich hier zunehmender Bedarf abzeichnet. So ist die erste Einwanderergeneration langsam zu alt, um die Betreuung weiterhin innerhalb des familiären Rahmens sicherstellen zu können.

Die Ergebnisse, die im Laufe der Konferenz im Rahmen dieser Arbeitsgruppen erarbeitet und am Ende des Tages vorgestellt wurden, zeigten ein hohes Engagement aller Beteiligten und lassen für die Zukunft hoffen.

Es ist zu erwarten, dass die Erkenntnisse dieses Projektes, das übrigens von einem Projektbeirat, dem Menschen mit Behinderungen ebenso wie Vertreter des Paritätischen Berlin und u. a. auch der Landesbeauftragte für Behinderte angehören, nicht nur in Berlin Anstöße für eine zeitgemäße und nutzerorientierte Weiterentwicklung der Hilfestrukturen für Menschen mit geistiger Behinderung geben.

Ausgehend von den hier erzielten Ergebnissen des Forschungsprojektes sollen dann im Rahmen einer Fachtagung am 08. Oktober 2009 im Rathaus Schöneberg in Vorträgen und Podiumsdiskussionen konkrete sozialräumliche Konzepte und praktische Modelle der Teilhabe vorgestellt werden.

Veronika Schneider

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Mai 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis