Neues Wohnen im Alter


Frauen WG hat noch ein Zimmer frei


Die meisten Menschen beschäftigen sich mit der Frage,  wie sie im Alter leben wollen, erst  bei eingetretener Pflegebedürftigkeit. Wer auf der Suche nach einem Pflegeplatz für einen Angehörigen eine Besichtigungstour durch die Berliner Pflegeheime gemacht hat, kann das kollektive  Verdrängen verstehen.

Denn oft bedeutet "Pflegeheim" die Trennung von allem, was man sich im Leben geschaffen hat und die Sorge, dass Kinder und Enkel für den Pflegeplatz zur Kasse gebeten werden. Was wird aus dem Haustier, Kamerad und vertraute Seele der letzten Jahre. Ins Tierheim? Das ist wirklich bitter und - irgendwie auch böse.

Das Leben im Alter befindet sich in einem dramatischen Wandel
Die Autoren des Buches "Die Altersrevolution - wie wir in Zukunft alt werden" prophezeien, dass in Deutschland nunmehr eine Generation in Rente geht, welche die  verbleibenden Jahre  nicht genügsam und angepasst verbringen, will sondern die zunehmend bereit ist, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Monika Schäfer (68) hatte sich zunächst einen anderen Lebensabend vorgestellt, als sie nach 20 Jahren von einer Atlantikinsel nach  Berlin zurückkehrte. Plötzlich lief alles nicht mehr wie gewohnt, Putzen, Bücken, Tragen - sie brauchte immer mehr Hilfe, um den Alltag zu bewältigen. Ging es aber nicht vielen anderen genauso? Selbstbestimmt und autonom zu bleiben, war ihr am wichtigsten. Eine WG mit gleichaltrigen Frauen wäre eine denkbare Lösung.

"Alte Frauen  WG - wer von Euch will auch nicht mehr vor sich hin wurschteln…."
schrieb sie in eine Anzeige, deren Text  im Bekanntenkreis wegen der etwas  direkten Sprache zwar auf kritische Zweifel stieß, jedoch eine Flut von Anfragen auslöste. 70 Personen hat sie schließlich "gecasted".

Den nächsten Schritt, eine passende Wohnung finden, wollte sie zunächst auch im Alleingang bewältigen: Es gibt viele schöne große Wohnungen in Berlin, leider seltener mit Fahrstuhl und schon gar nicht behindertengerecht. Und das "Generationen übergreifende Wohnen" ist auch nicht ihr Ding. Sie hat den Mut zu sagen, dass sie nicht mit Jungen zusammenleben will. Die haben andere Bedürfnisse, sie möchte ihre Ruhe haben.



In Schöneberg entstand ein Haus speziell für ältere und pflegebedürftige Menschen
Da kam ein Glücksfall zu Hilfe: In der Cheruskerstraße wurde gerade ein aus den 70-er Jahren stammendes Haus von der Stiftung "Leben in Berlin" in Kooperation mit dem Nachbarschaftsheim Schöneberg komplett saniert. Das Erdgeschoss war für die Tagespflege Friedenau reserviert,  der 1. Stock für eine "Demenz-WG", darüber für eine Pflege-WG und schließlich sollte in der 3. Etage  auf ca. 100 qm eine Alten-WG für 4 Bewohnerinnen entstehen.

Hier treffe ich nun Monika Schäfer mit ihrem kleinen Hund "Menina" in ihrer neuen Umgebung an. Die Zimmer sind nicht riesig, ca. 20 qm, aber es reicht aus, um mit eigenem Mobiliar alles Wichtige unterzubringen. Zusätzlich stehen den Bewohnerinnen drei Terrassen, eine  40 qm große Wohnküche, zwei geräumige behindertengerechte Duschbäder und eine Gästetoilette zur Verfügung. Zwei weitere Zimmer sind bereits belegt, die vierte WG-Bewohnerin muss noch gefunden werden. Und das ist trotz der  Nachfrage nicht  einfach. Monika Schäfer legt Wert darauf, ihre  völlige Unabhängigkeit zu behalten. "Man kann z. B. zusammen kochen, muss es aber nicht. Man muss sich klarmachen, dass das alte Leben nicht beibehalten werden kann und ein völlig neuer Lebensabschnitt beginnt."
Positiv sieht sie, dass die Miete unter 400 Euro auch für Grundsicherungsempfänger tragbar ist. Und: "Mein Sohn braucht sich um meine Zukunft keine Sorgen zu machen. Es sind immer Pflegekräfte im Haus und wenn es wirklich einmal gar nicht mehr geht, ziehe ich nur eine Etage tiefer."

Hund Menina, ein "Sozialfall" aus  Mallorca, hat schon Schlimmes in ihrem Hundeleben durchmachen müssen. Sie  beobachtet mich die ganze Zeit aufmerksam. Es ist beruhigend, dass die beiden zusammenbleiben können. Wir wünschen ihnen eine schöne Zeit und werden in einem Jahr  nachfragen, wie es ihnen in ihrem neuen Lebensabschnitt ergangen ist.

Renate Birkenstock

 
Mai 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis