Der Bürgerhaushalt in Tempelhof-Schöneberg

Foto: Ed Koch, paperpress

Der lange Weg zur Rathauskasse


Im Speicher von Dagobert Duck aus dem Entenhausen-Comic von Walt Disney lagern mal Milliarden und Billionen, mal aber auch gezählte 9 Fantastilliarden oder 657 Zentrifugillionen Taler, sodass der heutige Leser sich an die Weltfinanzkrisenbewältiger und ihre fantastischen, bislang unbekannt gewesenen Geldspeicher erinnert fühlt. Da mutet ein aktuelles Vorhaben des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg weitaus realistischer an. Denn unser Bezirk soll schöner werden, weil demokratischer. Er plant für 2010/2011 einen sogenannten Bürgerhaushalt.
Nun hat dieser Anspruch so seine Tücken. Denn in der Untersuchung von Herzog/Cuny zum Thema "Bürgerhaushalt und die Mobilisierung von Bürgerwissen", auf die sich die Initiatoren erklärtermaßen stützen, heißt es sehr deutlich, dass die Miteinbeziehung von Bürgern in bestehende Verwaltungsgremien oder Institutionen der repräsentativen Demokratie keinen Bürgerhaushalt darstellt, weil sie nun mal nach der Gesetzeslage einen eigenen Haushalt nicht beschließen dürfen.

Die vorgesehene Einbeziehung der Bürger muss daher als eine besondere Art von Mitbestimmung aufgefasst werden, die aber den Namen Bürgerhaushalt nicht verdient. Denn erstens entscheidet laut Gesetz die Bezirksverordnetenversammlung über den Bezirks-haushaltsplan. Zweitens ist dieser Haushalt kein eigenständiger, sondern nur der vorgeschlagene Teil des Landeshaushalts von Berlin, der demgemäß auf Landesebene beschlossen wird. Und drittens hat der Senat von Berlin das Recht, die jeweiligen Geldzuweisungen mit Auflagen und Leitlinien zu versehen, die übergeordneten Zielvorstellungen dienen sollen.

Von Fantastilliarden zu Euro und Cent
Es ehrt die politische Klasse des Bezirks, dass sie trotz dieser Schwierigkeiten Ideen und Anregungen der Bürger für die eigene Arbeit fruchtbar machen will. Zu diesem Zweck hat nun der Bezirk in seinen Ortsteilen Lichtenrade, Marienfelde, Mariendorf, Tempelhof, Schöneberg und Friedenau Auftaktveranstaltungen durchgeführt, in denen er sein Projekt vorgestellt hat. Eingeladen waren jeweils 500 Personen, die nach dem Zufallsprinzip aus vorher sozialdemografisch sortierten Gruppen ausgewählt wurden. Daraus sollte dann eine repräsentative Mischung der Ortsteilbevölkerung entstehen. Nicht vorhersehbar ist aber leider, wer der Aufforderung zur Teilnahme folgt. Im Schnitt der Veranstaltungen waren es 30 Bürgerinnen und Bürger. Das klingt zwar wenig, Projektleiter Jürgen Behnke zeigte sich im Gespräch mit der Stadtteilzeitung aber zufrieden. Er verwies auf Erfahrungen in anderen Kommunen, die nur eine durchschnittliche Beteiligungsquote von 5% erreichten, in unserem Bezirk liege sie aber bei 6,13%. Darüberhinaus seien von den insgesamt 184 Teilnehmern immerhin 110 Rückmeldungen erfolgt, was 55% entspreche. Die meisten Anmeldungen zur nun folgenden Fachgruppenarbeit verzeichnete die Abteilung Bürgerdienste, Ordnung, Natur und Umwelt. Die wenigsten Interessenten meldeten sich bei der Abteilung Bauwesen.

Der Auftakt in Friedenau
Sowohl der die Veranstaltung in der Peter-Paul-Rubens-Schule moderierende Leiter der Abteilung Finanzen und Personal im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, Jürgen Behnke, als auch Bürgermeister Ekkehard Band (SPD) bemühten sich sichtlich, die eingeladenen Bürgerinnen und Bürger für ihr Projekt "Bürgerhaushalt" einzunehmen. So warb Band mit der Formel Willy Brandts, man wolle "mehr Demokratie wagen". Das Wissen der Bevölkerung solle mobilisiert werden, damit das zur Verfügung stehende Geld "sinnvoll eingesetzt" werden könne, denn die Bürgerinnen und Bürger wüssten selbst am besten, wo dringend etwas getan werden müsse. Allerdings sei auch ein Bürgerhaushalt kein Wunschkonzert, denn die Mittel seien nun mal begrenzt. So ergebe sich zwingend die Notwendigkeit, dass an einer Stelle ausgegebenes Geld an einer anderen Stelle wieder eingespart werden müsse. Aber gerade solche notwendigen Auseinandersetzungen förderten auch wechselseitig das Verständnis.

Der für die BVV sprechende Abgeordnete Ralf Kühne (Die Grünen) wollte im Anschluss an den Bürgermeister lieber davon sprechen, dass es im Zusammenwirken von Abgeordneten und Bürgern das gemeinsame Anliegen sein sollte "zu kontrollieren, ob das Geld richtig ausgegeben wird." Auch die anwesenden Stadträte hielten sich zur Frage der Spielräume für neue Ausgaben allesamt eher bedeckt. Sie verwiesen auf die durch den Bund und das Land vorgegebenen Ausgabeweisungen. Und in der Tat ist leicht einzusehen, dass die Ausgaben etwa des Sozialamts oder des Jugendamts durch bundesgesetzliche Regelungen vorgegeben sind. So wirkte auch die Aussage von Stadtrat Hapel (CDU) sehr ernüchternd, wonach im Ausgabenblock Schule von 35 Millionen Euro nur 4% disponibel seien. Einzig Stadtrat Krömer (CDU) meldete einen unerwarteten Segen von 10 Millionen aus dem 2. Konjunkturprogramm, einer Verfügungsmasse von nach seiner Erinnerung noch nie dagewesenen Dimensionen.

Aber, so sein kritischer Ausblick, auch hier warteten bereits seit Jahren aufgeschobene Sanierungsarbeiten, etwa an den Sportstätten und Turnhallen. Die von den Mitarbeitern der Abteilungen liebevoll und informativ ausgestatteten Stelltafeln mit den Hinweisen zu den Aufgaben der Arbeitsbereiche wurden im Anschluss an die Veranstaltung nur noch vereinzelt aufgesucht. Die Entscheidung für oder gegen die Teilnahme war anscheinend bereits gefallen. Wir werden von dem weiteren Schicksal des Projekts berichten.

Weitere Informationen auf den Seiten des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg.

Ottmar Fischer und Bernd Jürgen Gerdes

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Mai 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis