Orte und Plätze     von Sigrid Wiegand

Es war einmal: der Kaiserplatz (heutiger Bundesplatz) um 1910. Foto: Archiv Museum Charlottenburg-Wilmersdorf

Der Bundesplatz - ein Phönix aus der Asche?

Der Bundesplatz, unser unmittelbarer Nachbar und Pendant zum Friedrich-Wilhelm-Platz, entstand, als der Großgrundbesitzer Carstenn 1872-74 eine Verbindungsstraße zwischen seinen Gütern Deutsch-Wilmersdorf, Giesensdorf und Lichterfelde anlegen ließ. Dem Zeitgeist entsprechend wurde sie Kaiserstraße getauft. Später hieß sie Kaiserallee, heute kennen wir sie als Bundesallee. Der Alleecharakter entstand durch die Rüstern, die Anfang des 20. Jahrhunderts einer großen Abholzungsaktion der von einem Schädling befallenen Bäume zum Opfer fielen (wer denkt da nicht an die Miniermotte?) Heute säumen sie die Bundesallee wieder in voller Pracht, nachdem Kriegs- und Bombenschäden vielen der neu aufgeforsteten Bäume wiederum den Garaus gemacht hatten.


Der Bundesplatz im Jahr 1950. Foto: Archiv Museum Charlottenburg-Wilmersdorf

Ende des 19. Jahrhunderts war die große Zeit der sog. Schmuckplätze, die den Berliner Vorstädten ein „grünes Gesicht“ geben sollten. Um 1870 entstand im Zuge der Kaiserstraße der Friedrich-Wilhelm-Platz, wurde 1877 gärtnerisch gestaltet, und etwa seit 1875 ist von einem Straßburger Platz die Rede, dem späteren Kaiser- und jetzigen Bundesplatz - die Quellenangaben widersprechen sich da. Heißt es an einigen Stellen, der Kaiserplatz sei 1909 als Schmuckplatz angelegt worden, geben andere 1901 als Gestaltungsdatum mit Mittelrondell und Fontäne, Zierhecken und Blumenbeeten an und erst eine spätere Umgestaltung zum Schmuckplatz. Wie auch immer, auf alten Fotos sehen wir einen (220 Meter langen) park-ähnlichen Platz, im Gegensatz zum Friedrich-Wilhelm-Platz übrigens ohne Spielplatz. Eine Marmorstatue, die „Winzerin“ des Bildhauers Friedrich Drake, dem Berlin auch die „Goldelse“ auf der Siegessäule verdankt, wurde 1910 aufgestellt - ein Geschenk von Drakes Erben, hieß es später. Eine Zeitungsnotiz aus demselben Jahr nennt allerdings einen Kaufpreis von 6.000 Mark. Die Ränder des Platzes wurden ab 1900 mit großen, „hochherrschaftlichen“ Gründerzeithäusern bebaut. Das „von Haus aus keineswegs begüterte Wilmersdorf“ könne nur mit einem Aufschwung rechnen, heißt es in einem zeitgenössischen Dokument, „wenn es sich durch Gewinnung eines starken steuerkräftigen Zuzugs die finanziellen Voraussetzungen für die Begründung und Unterhaltung mustergültiger städtischer Einrichtungen … zu sichern verstehe.“ Dieser Idee verdanken wir also die imposanten alten Häuser um den Bundesplatz herum mit ihren Giebeln, Zinnen, Türmchen und Kuppeln und eine aufwändige Grünanlage, an der sich der mit Steuervorteilen herbeigelockte „steuerkräftige Zuzug“ erfreuen, wo er sich erholen konnte. Man könnte es auch die Geburtsstunde der „Wilmersdorfer Witwen“ nennen: Wilmersdorf entwickelte sich zu einem Bezirk mit einer vorwiegend gutbetuchten Bevölkerung.


Bundesplatz U-Bahn-Bau, ca. 1962.
Foto: Archiv Museum Charlottenburg-Wilmersdorf
 
Die meisten der alten Häuser am Bundesplatz überstanden den 2. Weltkrieg und können noch heute bestaunt und bewundert werden. Geschäfte und Restaurants sind hier angesiedelt, und das angeblich seit 1913 bestehende Kino (Wikipedia spricht von 1933) nahm seinen Betrieb wieder auf. Es könnte eine lebhafte, schön gelegene Flaniermeile sein, hätte nicht die autogerechte Verkehrsplanung der 1960er Jahre dem einen Riegel vorgeschoben. Am 7. Juni 1962 rückten Bagger und anderes schweres Gerät an und verwandelten Bundesallee und Bundesplatz in einen Buddelplatz: der Autotunnel wurde gebaut! Für den Bundesplatz als „Schmuckplatz“ und komfortable Wohngegend bedeutete dies das endgültige Aus. Den Bau der U-Bahn hätte er verkraften können, die auf der Friedenau/Wilmersdorfer Grenze verlaufende Stadtautobahn zur Not auch noch; sie hätten den Platz nicht derartig ruiniert wie seine Untertunnelung mit der Ein- und Ausfahrt in Höhe der Mainzer Straße, wo die Autos mit hoher Geschwindigkeit und vielen Phon durchbrausen. Er zerschneidet Platz und Anlagen in zwei Hälften, die Anpflanzungen und die baulichen Versuche, der Anlage eine Aufenthaltsqualität zu erhalten, sind verkommen, und die Häuser auf beiden Seiten des Platzes scheinen für immer voneinander getrennt. Ein Vorschlag aus dem Jahr 2002 aus dem Deutschen Institut für Urbanistik, den Tunnel dicht zu machen und eine Stadtstraße als Lebensraum zum Verweilen und Flanieren zu gestalten, wurde aus dem Büro des CDU-Baustadtrats als grundlos abgelehnt. Auch für die Idee einer Fußgängerbrücke in der Mitte des Platzes scheint sich niemand zu erwärmen. Offenbar haben sich die Anwohner mit dem bestehenden Zustand abgefunden. Und der „Phönix“, die geschweißte Metallplastik des Bildhauers Bernd-Wilhelm Blanck, aufgestellt nach dem Tunnelbau an der Südspitze des Platzes, wartet wohl immer noch auf eine Gelegenheit, sich aus der Asche zu erheben.

Sigrid Wiegand

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Oktober 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis