Nach der Wahl ist vor der Wahl


Wahlkampf der Kuscheltiere


„Warum hängen da lauter so Leute, die lachen, an den Bäumen?“, fragte meine siebenjährige Tochter vor kurzem im Auto.
„Das sind Wahlplakate. Bald ist eine Wahl. Die Leute wollen alle gewählt werden“, erklärte ich.
„Und wozu wollen die gewählt werden?“, hakte das Kind nach.
Mein Mann entschied sich für eine kindgerechte Vereinfachung.
„Es geht darum Bestimmer zu werden! Wer die meisten Stimmen bekommt, hat gewonnen und darf bestimmen!“
„Das ist so wie früher König oder Königin“, fügte ich um der Anschaulichkeit willen hinzu.
„Jetzt haben wir aber keine Könige mehr!“, betonte mein Mann als überzeugter Antiroyalist sofort „Jetzt wählen wir alle den Bestimmer. Das nennt man Demokratie!“, sagte er stolz.
Das Kind guckte kritisch.
„Können wir nicht auch mal zu Hause eine Wahl machen?“
„Warum nicht!“, griff mein Mann den Vorschlag auf. Man lernt doch am Besten durch das eigene Tun. Wir überlegten, wen wir zu Hause wählen könnten.
„Die Kuscheltiere! Wir können den Bestimmer unter den Kuscheltieren wählen!“, schlug ich vor und das Kind stimmte begeistert mit ein.
Kaum waren wir zu Hause, holte es seine drei Lieblingskuscheltiere, die sich zur Wahl stellten: Paule, den Plüschhasen und Wiff und Wuff, die zwei Hunde. Wir bastelten Stimmzettel mit den drei Namen. Die Wahlurne war ein kleiner Faltkarton, in den wir einen Schlitz schnitten. Jeder durfte nur einen Namen ankreuzen. Ganz geheim. Niemand durfte den Zettel des anderen sehen. Die Wahl fiel uns nicht leicht, denn das Wahlprogramm der Kuscheltiere war nicht sehr aussagekräftig. Angeblich wollte Paule für mehr Blumen an Baustellen sorgen und Wiff mehr Spielplätze bauen lassen. Wuff war für mehr Frieden auf der Welt. Das sagte jedenfalls unser Kind. Ich traf meine Wahl dann einfach nach Sympathie. Wiff und Wuff waren zu oll und mehrfach geflickt. Paule dagegen sah noch ganz manierlich aus, also wählte ich den Hasen. Mein Mann schien eine ähnlich oberflächliche Wahlentscheidung getroffen zu haben, denn als wir die Stimmen auszählten, stand es 2:1 für Paule. Unsere Tochter war sehr enttäuscht, denn sie gab offen zu, für Wuff gestimmt zu haben.
„Der ist doch das liebste Kuscheltier und der ist so arm, weil er nur noch ein Ohr hat!“, drückte sie auf die Tränendrüse. „Nächstes Mal mache ich ganz viele Wahlplakate nur für Wuff!“, beteuerte sie. Zum Glück hatten wir aber abgemacht, dass die Wahl nur für vier Wochen gilt, dann wird ein neuer Bestimmer gewählt. Was dieser dann politisch tatsächlich durchsetzen wird, ist äußerst un-klar. Ich habe ja den Verdacht, letztlich stehen alle drei Kuscheltiere unter dem Einfluss unserer Tochter und wollen bestimmen, dass es Süßigkeiten ohne Ende und Fernsehen ohne Pause geben soll. Zuhause sind deshalb doch irgendwie am Besten wir Eltern die Bestimmer!

Isolde Peter

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Oktober 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis