Liebe und Leidenschaft - sinnliches Theater in der Alten Lokhalle


Die Hoffnung stirbt zuletzt


L'amour fou?! Die geliebte Stimme, eine deutsch-französische Tango-Theater-Performance frei nach Jean Cocteau ist liebestoll, melancholisch, himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, altersübergreifend und zutiefst menschlich. Mia Kasparis neueste Inszenierung in der alten Lokhalle ist kein Fertigprodukt, sondern ein poetisches Theater, das Fragen aufwirft und zum Träumen anregt. Andreia dos Santos befragte Mia Kaspari dazu.

Was erwartet die Zuschauer?
Die Zuschauer erleben einen vielschichtigen sinnlichen Theaterabend rund um das Thema „Liebe“.
Sie betreten eine ungewöhnliche Location mit einer wundervollen Patina. Der Text von Jean Cocteau „Die geliebte Stimme“, Tango-Livemusik, Tanz sowie Videoprojektionen ergeben ein vielschichtiges Theatererlebnis.

Was reizt Sie am Text von Jean Cocteau?
Der Monolog „La voix humaine“ ist das letzte Telefonat einer Liebenden mit ihrem Geliebten, der sie verlassen hat. Der Text ist ein Sinnbild dessen, zu welchen Gefühlslagen ein Mensch fähig ist, wenn er/sie liebt. Der Monolog wird bei mir zum Dialog, unterschiedliche Paarkonstellationen werden durchgespielt, denn die Liebe hat viele Facetten und Wahrheiten. Außerdem hat mich das Telefon als Medium gereizt. Cocteau schreibt: „Es gibt nichts, dass mehr Orakel sein könnte, als das Telefon.“ Das Telefon bestimmt unseren Alltag. Ich mag das Spiel mit Nähe und Ferne. In Zeiten der „Krise“ ist es mehr denn je wichtig, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Berlin ist eine der größten Singlemetropolen. Partnerschaftsbörsen und Internetlieben blühen. Man kommuniziert ins Nichts hinein, das unbekannte Gegenüber wird zur Projektionsfläche seiner eigenen Wünsche und Phantasien. Im Leben kommen wir nicht um die Liebe herum, es gibt nichts Schöneres und Schrecklicheres. Diese Ambivalenz finde ich spannend.

Sie suchen sich immer ungewöhnliche Veranstaltungsorte für Ihre Inszenierungen?
Als Kulturschaffende inszeniere ich gesellschaftlich relevante Themen im öffentlichen Raum hin zum Zuschauer. Damit entstehen ganz einmalige „hautnahe“ Theatererlebnisse. In der Lokhalle auf dem Schöneberger Südgelände gibt es ein wunderbares Zusammenspiel von verfallender Technik und Materialien sowie die wuchernde Fauna des Geländes und die Weite und Höhe der Halle. Diese Elemente finden auch ihre Entsprechung in der Liebe, wie etwa die Gleise, die sich kreuzen, trennen, neben einander laufen, in eine Richtung weisen, symbolisch stehend für Reisen, Einstieg Ausstieg, mit unbestimmtem Ziel, wie in der Liebe…

Warum der Tango? Was interessiert Sie besonders an dieser Musik?
Der Tango wird live gespielt von dem hervorragenden Tango Duo, Cordula Welsch (Geige) und Michael Dolak (Bandoneon). Er wird als roter Faden durch den Abend führen. Lebenssehnsucht, Liebe und Tod, das Ringen der Geschlechter miteinander, Erotik, das Geben und Nehmen, nonverbale Kommunikation, kein Tanz reflektiert diese existentiellen Themen in ihrer Komplexität so treffend wie der Tango. Mit den Choreographen und Tänzern Raffaella Tempesta und Michael Ihnow wird der Tango künstlerisch übersetzt und neu interpretiert.

Mit welchem Gefühl sollen die Zuschauer nach der Vorstellung die Lokhalle verlassen?
Mein Ziel ist es, kein Fertigprodukt zu präsentieren, sondern ein poetisches Theater zu schaffen, das Fragen aufwirft, Zutaten liefert und zum Träumen anregt. Ich wünsche mir, dass die Zuschauer mit ein bisschen Melancholie und ganz großer Hoffnung nachhause gehen.
Andreia dos Santos

Info: Die Aufführungen gehen bis zum 31.10.09 und finden jeden Donnerstag, Freitag und Samstag um 20 Uhr in der Lokhalle (Eingang direkt über den Zugang S-Bahnhof Priesterweg) statt.
Reservierungen: mail@lamourfou.info oder 030 - 280 419 66.
Mehr Infos unter www.lamourfou.info

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Oktober 2009  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis