Menschen in der VHS

Wendy Hsiao Wang und Eduardo Espinoza. Foto: Fumiko Matsuyama

Wenn Tanz und Leidenschaft Nationen verbinden

Wendy Hsiao Wang und Eduardo Espinoza lehren Tango Argentino

„Wer Tango tanzt, fühlt sich nirgendwo auf der Welt fremd oder einsam“, sagt Wendy Hsiao Wang.

Vor mehr als 30 Jahren kam sie aus Taiwan nach Berlin, doch der Tango hat sie erst vor sechs Jahren richtig gepackt. In einem Tanz-Lokal traf sie Eduardo Espinoza, den gebürtigen Chilenen, der den Rhythmus quasi im Blut hat. Er lebt seit etwa 25 Jahren in Deutschland und erinnert sich noch an die Schwierigkeiten, damals einen Ort zu finden, wo man Tango Argentino tanzte.

Inzwischen hat der Tanz, der Leidenschaft verkörpert wie kein anderer, weltweit mehr und mehr Menschen in seinen Bann gezogen. Eduardo und Wendy, der Diplomingenieur für Elektrotechnik und die Chinesisch-Dolmetscherin, unterrichten gemeinsam seit mittlerweile vier Jahren Tango Argentino für Anfänger und Fortgeschrittene in der Volkshochschule (VHS) Tempelhof-Schöneberg. Und ihre „Gemeinde“ wächst stetig.

„Der Tango erfordert nicht nur Gefühl, sondern er fordert auch die eigene Disziplin“, weiß Eduardo, der bereits seit 1998 an der VHS als Tangolehrer tätig ist. Für ihn und seine Partnerin sind Tanzen und Lehren gleichermaßen Passion. Einerseits teilen sie die Faszination des Tango an sich, andererseits eine gewisse Liebe zum Perfektionismus. Das Erlernen von Grundschritten sei so nötig wie Haltungsübungen, um auf dem Parkett Harmonie zu finden. Tanzhaltung und -Balance müssen übereinstimmen, „da-mit aus zweien eins wird“, sagt Wendy. Wer nie einen Workshop besucht hat, könne das kaum empfinden.

Im Unterricht legen Wendy und Eduardo besonderen Wert auf einen guten Führungsstil des Mannes und die Schritttechnik der Frauen, um der Körpersprache auch in der Bewegung besonderen Ausdruck zu verleihen. Die Geschlechterrollen von Frau und Mann lassen sich im tänzerischen Gespräch somit immer neu ausloten. Wenn Wendy und Eduardo das auf dem Parkett demonstrieren, offenbaren sich nicht nur Tango-spezifische Geheimnisse.

Liebe, Schmerz, verratene Freundschaft – die Lyrik des klassischen Tango umkreist derlei Themen. Der wohl berühmteste Satz über diesen Tanz stammt von dem Komponisten Enrique Santos Discépolo: „Der Tango ist ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann“. Als Kursleiter haben Wendy und Eduardo ihre Methode ausgebaut, Melancholie mit Spaß und spielerischen Tanzübungen zu verbinden. Sie unterrichten verschiedene Tango-Stile vorwiegend zur Musik der 40er-Jahre.

Ihre eigene Ausbildung haben sie bei anerkannten Tango-Maestros in Argentinien durchlaufen. Kürzlich sind Wendy und Eduardo in Buenos Aires in die Vereinigung der Tangolehrer, -Tänzer und -Choreografen aufgenommen worden. Eine Anerkennung und Auszeichnung, auf die das Tanzpaar stolz ist. Denn das Ziel beider ist, in ihren Kursen nicht nur essenzielle Bewegungen, sondern auch qualifizierte Backgrounds weiter zu geben. Schließlich war der Tango nicht immer „salonfähig“.

Der Tango Argentino ist Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, als zahllose Einwanderer unterschiedlicher Nationalitäten nach Argentinien strömten und ihre Lebensperspektive ein weiteres Mal verloren. In den Hafen- und Rotlichtvierteln am Río de la Plata versuchten sie Elend und Heimweh durch die traurige Musik und den innigen Tanz zu kompensieren. Ob es Parallelen gibt, warum der Tango heute in Berlin so beliebt ist? „Ja, das multikulturelle Flair“, meinen Wendy und Eduardo. In den Kursen der VHS Tempelhof-Schöneberg mischen sich Nationalitäten, Alters- und Berufsgruppen. Hier sind die Tangotänzer so international wie Berlin selbst.

Sabine Henkel

Im Januar starten an der VHS wieder Tangokurse unterschiedlicher Niveaustufen:
Wochenend-Workshop für Anfänger/innen (TS25.16B): 22.-23.1.2011
Kurs für Anfänger/innen (TS25.18B): 19.1.-16.3.2011, Mi 20-21.30 Uhr.
Mittelstufe I (TS25.20B): 18.1.-15.3.2011, Di 20-21.30 Uhr.
Mittelstufe II für Fortgeschrittene (TS25.22B): 20.1.-17.3.2011, Do 20-21.30 Uhr.
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Dezember 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis