Zwei Bücher zum Fest

Eva Zeller, fotografiert von Joachim Zeller

Neues von Eva Zeller


Romane schreibt sie nicht mehr, nein – aber bei einer guten Anthologie, da ist Eva Zeller immer gern dabei.

In diesem Jahr wurde sie gleich zweimal angefragt, und so liegen pünktlich zur Weihnachtszeit zwei überaus empfehlenswerte Bücher vor, in denen sich die namhafte Friedenauer Schriftstellerin neben Historikern und berühmten Schreibenden in bester Gesellschaft befindet.

Zunächst einmal eine Sammlung von Prosa und ein wenig Lyrik – dem derzeit bevorzugten Genre von Eva Zeller – zum Thema Gotteshaus. „Wo wenn nicht hier“ ist der Band betitelt und zitiert damit den Titel von Zellers Beitrag. Hauptsächlich finden wir Kurzgeschichten, darunter etwa von Wladimir Kaminer. Die meisten Stücke sind autobiographisch geprägt, vielleicht lag das bei dem Untertitel „Geschichten unterm Kirchendach“ nahe. Eva Zeller aber nimmt sich der Sache grundsätzlicher an.

Lyrik ist in der heutigen Zeit aus der Mode gekommen. Liegt es daran, dass man ein wenig Zeit braucht, Geduld auch, obwohl ein Gedicht doch meist viel kürzer ist als eine Kurzgeschichte? Es heißt sich einzulesen in eine andere Form von Sprache – und Eva Zeller schmeichelt sich nicht mit gereimten Versen ein. Nein, man muss schon seinen Kopf gebrauchen, und auch wenn es um einen Kirchenbesuch geht und um seine Wirkung auf den Kirchgänger: Da ist nichts frömmelnd, übermäßig besinnlich oder gar sentimental. Das alles ist Eva Zellers Sache nicht. Auch mit Kommata und anderen Satzzeichen hält sie sich nicht auf, und die Sprache ist in einer Weise präzise verknappt, dass es einem schwindlig werden kann: „Jetzt wird das Licht bunt / und nimmt Platz auf den Bänken“- Man setzt sich dazu und schaut sich mit Eva Zellers Augen um, die mit Worten malt, was sie sieht.

„Die Maskenbildnerin Zeit / hat das Ihre gründlich getan / den Kindermund wiedererkennen / hieße den Singsang hören“. Vom Äußeren folgen wir der Dichterin in die innere Welt, kaum merklich ist der Übergang, und plötzlich solche Verse: „Die Tote neben dir seufzt / das Haar streng vom Ohr gebürstet / als horche sie auf ein Flüstern“.

Ein zweites Mal gelesen, ein drittes, das Gedicht reißt den Leser mit. Was geht einem nicht alles durch den Kopf bei einer Predigt, aber wer ist Dichter genug, es so festzuhalten? All die Zweifel, auch der Ärger, der aufkommt bei selbstgefälligen Reden der Geistlichen, „so penetrant fleischgeworden“, die nicht zu wissen scheinen, wie das Leben ist. So schwierig ist es zu glauben:  „Die tausend Zungen / die du gern gehabt hättest / strecken sich dir entgegen / Hier hast du doch nichts verloren“. Dennoch: „Ich weiß / ich weiß / Aber mein / besseres / Wissen / mein bestes?“ Das einzige Satzzeichen: Ein Fragezeichen.

Die 1923 geborene überzeugte Christin, Protestantin in bestem Sinne, konnte daher mit ihrem zweiten Auftrag nicht wie ihre anderen Kollegen umgehen. In der Anthologie „Anna, Lily und Regine“ berichtet Eva Zeller über Luise Hensel (1789-1876). Man muss gelesen haben, wie Eva Zeller sich der Dichterin des Klassikers „Müde bin ich, geh zur Ruh“ annimmt, die ihr mit ihren naiv-frommen Gedichten ein wenig auf die Nerven zu gehen scheint. Allein jenes in viele Sprachen übersetzte „Nachgebet“ lässt Zeller gelten.

Chronologisch geordnet, von Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg (1485-1555) bis Regine Hildebrandt (1941-2001), stellen verschiedene Autoren in kurzen Portraits 30 Frauen aus Berlin und Brandenburg vor. Die sehr unterschiedlich gehaltenen Lebensbilder sind informativ und unterhaltsam zugleich; auffällig ist allerdings, dass die meisten dieser Frauen ihre Kraft entweder ohne Mann oder erst nach dem Tod ihres Gatten oder nach einer Trennung entfalten konnten. Wobei interessant ist, dass eine Scheidung unter Friedrich dem Großen erheblich einfacher zu bekommen war als im wilhelminischen Zeitalter.

In drei Jahren erreicht Eva Zeller ihr neunzigstes Lebensjahr. Man wünscht sich mehr Menschen von solch klarer Geistesschärfe. Und wer eines der Bücher erworben hat, trage es ein wenig bei sich – einerseits zum Schmökern, andererseits, weil Frau Zeller bei ihren täglichen Spaziergängen vielleicht gern bereit ist, es zu signieren!

Anna, Lily und Regine
30 Frauenporträts aus Brandenburg-Preußen. Antje Leschonski (Hg.). Verlag für Berlin-Brandenburg, 2010, 14,90 Euro

Wo wenn nicht hier
Geschichten unterm Kirchendach. Mit Beiträgen von Eva Zeller, Durs Grünbein, Ulla Hahn, Eckart von Hirschhausen u.a. edition chrismon, 2010, 16 Euro

Sanna v. Zedlitz


Dezember 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis