"Kamelle" in Berlin?
 


Karneval auf der Schloßstraße. Foto: Thomas Protz

Helau, Alaaf, Hei-Jo - Heiterkeit und Jokus

Der Berliner ist ja so leicht durch nichts zu erschüttern, aber trotzdem werden vermutlich am 14. Februar wieder etliche Einheimische durch den Anblick von mit Pappnasen, Papierhütchen und Luftschlangen geschmückten Menschen aus der Fassung gebracht. Und spätestens dann fällt ihnen wieder ein: Klar, in Berlin gibt es seit einigen Jahren auch wieder einen Karnevalsumzug, am Sonntag vor Rosenmontag.

Entgegen der viel verbreiteten Meinung, Berlin hätte das Spektakel den „Bonnern“ zu verdanken, kann die Stadt auf eine lange Karnevalstradition zurückblicken. Bereits im 15. Jahrhundert wurde „Zampern“ mit Umzügen und Tanzveranstaltungen gefeiert, ab 1743 wurden im Berliner Opernhaus die Karneval-Redouten veranstaltet, an den preußischen Königshöfen gab es der Commedia dell' arte entnommene Maskenbälle, selbst der Alte Fritz war ein begeisterter Karnevalfan.

Die Urspünge gehen bis in die Antike zurück.
Vorläufer des Karnevals findet man bereits vor 5000 Jahren im Zweistromland. Es wurde die symbolische Hochzeit eines Gottes gefeiert. In Ägypten feierte man die Göttin Isis, die Griechen den Gott Dionysos und die Römer hatten ihre Saturnalien. Die jüdische Bevölkerung feiert ihren Sieg über Xerxes I. in ihrem fröhlichen Purimfest mit Verkleidungen.

Auch existiert die Theorie, die Kelten und Germanen hätten mit Masken von Bär, Bock und Hirsch die Winterdämonen zu vertreiben versucht. Neuere Betrachtungen halten Fasching jedoch für ein christliches Fest, das heidnische Bräuche in die christliche Liturgie integrierte und das zu Beginn der Fastenzeit zelebriert wurde.

Ursprünglich war Karneval nur ein einziger Abend vor Beginn der Fastenzeit, erst im Mittelalter entwickelte er sich zu einem mehrtägigen Fest.
Insbesondere im ausgehenden 14. und 15. Jahrhundert wurde die Fastnacht im deutschen Raum etabliert. Da dies auch die Hochzeit der Hexenverfolgung war, wurden Elemente dieses Treibens integriert. Zu Inquisitionszeiten wurden die Verurteilten zum Gespött der Leute durch die Straßen getrieben, bevor sie dann unter großem Jubel auf dem Scheiterhaufen endeten. Die Verbrennung der „Funkenhexe“ oder des „Nubbels“ in Anwesenheit eines als Priester verkleideten Jecken zeugt bis heute von diesem Spektakel.

Mit der Französischen Revolution und der folgenden Besetzung des Rheinlandes - der katholischen Hochburg des Treibens - fand der Karneval ein vorläufiges Ende. Erst mit der Vertreibung Napoleons kam es ab 1823 wieder zu einem Aufleben des Frohsinns, bei dem man sich nun über die ehemaligen Besatzungstruppen lustig machte. Rein zufällig ist sicherlich auch der Faschingsbeginn am 11.11., der im angelsächsischen Raum bei den ehemaligen Alliierten Kräften als Veterans' Day gefeiert wird und absolut keinen lustigen Hintergrund hat. Vielleicht  ist daher das auch in Europa zunehmend beliebter werdende Halloween eine angelsächsische Antwort auf Allerheiligen.

Die ersten Karnevalclubs gründeten sich in Berlin aber tatsächlich durch zugezogene Rheinländer - in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nach dem zweiten Weltkrieg entstanden im West- und Ostteil der Stadt verschieden Karnevalsgesellschaften. Von 1952 bis 1959 zogen Karnevalszüge vom Funkturm nach Neukölln.

Nach dem Mauerfall schlossen sich 1990 die West- und Ostberliner Verbände zum Landesverband Berliner Karneval e.V. zusammen. Bestrebungen, die Tradition der Umzüge wiederzubeleben - die ersten zaghaften Versuche wurden bereits 1992 mit einem Autokorso gemacht - scheiterten an mangelnden Finanzen. Erst dem im Jahr 2000 gegründeten Karnevals-Zug Berlin e.V. gelang es, Vereine, Behörden, Sponsoren und Medien zu überzeugen, und so zog 2001 wieder der erste große Karnevalszug durch Berlin, 72 Umzugswagen und 40 Fußgruppen waren es im letzten Jahr. Allen Unkenrufen zum Trotz wurde das Unternehmen ein Erfolg, der sich in den steigenden Besucherzahlen zeigt, für dieses Jahr erhoffen sich die Veranstalter 1 Million Narrenfreunde. Bis in die späten 90er Jahre bot Berlin Karnevalsflüchtlingen aus dem Rheinland Asyl, begünstigt auch durch den arbeitsfreien Rosenmontag, jetzt kommen die Besucher gerade wegen des Karnevals in die Stadt. Na dann: Hei-Jo!

Wer sich stilgerecht in den Trubel stürzen möchte, findet passendes Outfit und Utensilien in Schöneberg bei:

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und
Georg Behrendt Dekoration
Hauptstraße 18
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Zünftig gefeiert wird hier:

Sa 13.02. 2010, ab 19 Uhr
Kostüm + Maskenball
Maringo, Rheinstraße 65,
12159 Berlin
kein Kostümzwang, die Veranstalter freuen sich aber über eine ausgefallene Bekleidung. Das kreativste Kostüm wird prämiert.
Um 20 Uhr Empfang des Berliner Prinzenpaares 2009/2010 Andreas II. und Judith I. und des Tanzmariechens, Showtanz der Stadtgarde Rot-Gold aus Steglitz (www.rot-gold-berlin.de). An der Disko DJ Marko.
Eintritt frei, eine Reservierung wird empfohlen: Tel. 63 42 99 58 

Rita Maikowski
Thomas Geisler

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Februar 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis