Jüdisches Leben in Berlin


Ausstellungsbesucher liest in einer Biografie. Foto: Thomas Protz

Wir waren Nachbarn
Von der Intervallausstellung zur Dauerausstellung


Die Willy Brandt-Ausstellung hat das Rathaus Schöneberg verlassen. Dafür wird ab dem 24. Januar, samstags bis donnerstags von 10 bis 18 Uhr eine neue Dauerausstellung in der Ausstellungshalle des Rathauses Schöneberg zu sehen sein: „Wir waren Nachbarn“, die Work in Progress-Ausstellung, die seit 2005 in Intervallen im Rathaus zu sehen war.

28.000 Besucherinnen und Besucher und die überregionale Ausstrahlung dieses Projekts haben die Senatskanzlei - Kulturelle Angelegenheiten dazu bewogen, dem Bezirk mit einer Anschubfinanzierung von 100.000 Euro bei seinen Anstrengungen zu helfen. Als „stilbildend“ hat sich das Konzept erwiesen, Geschichte der jüdischen Berliner nicht nur als eine Geschichte von Opfern zu beschreiben, sondern auch als eine von aktiven Bürgern und Nachbarn - vor der Shoa - und die große Leistung der überlebenden Zeitzeugen, welche die Erinnerung wach halten, nicht nur zu würdigen, sondern ihnen einen dauerhaften Ort zu geben.
Die Ausstellung wird auch in Zukunft Work-in-Progress weiterentwickelt, d.h., sie wird jedes Jahr um weitere biografische Alben zu einer bestimmten Thematik erweitert. 2010 wird der Schwerpunkt von Ausstellung und Rahmenprogramm auf das Thema jüdische Schulen und Schüler gelegt: Zu den 126 biografischen Alben des Vorjahres kommen u. a. neue über Luise Zickel und ihre jüdische Privatschule und über die Kunst- und Kunstgewerbeschule Reimann in der Landshuter Straße hinzu. Von der Schülerin Doris Kaplan sind viele Briefe an die Eltern erhalten, die von dem schrittweisen Verlust ihrer jüdischen Freundinnen erzählen, bis sie selbst von Berlin aus mit ihrer Mutter ins Ghetto Warschau deportiert wurde. Dort verlieren sich ihre Lebenszeichen.
Clara und Albert Reimann konnten zu ihrem Sohn nach England flüchten. Luise Zickel fühlte sich um ihr Lebenswerk gebracht und zu alt für einen Neuanfang. Sie wurde von Berlin nach Riga deportiert.

Rahmenprogramm zur Ausstellung im Februar: Di. 16.02.2010, 19 Uhr
Rathaus Schöneberg, Goldener Saal
Vortrag: Jüdische Schulgründerinnen in Berlin zwischen 1900 und 1938 - in Anwesenheit ehemaliger Schülerinnen
Helga Gläser hat sich mit den Berliner Schulgründungen von Vera Lachmann, Anna Pelteson, Toni Lessler und anderen beschäftigt und ist dabei auch auf Spuren von Luise Zickel aus Schöneberg gestoßen. All diese Frauen gehörten zunächst zu den Pionierinnen der höheren Mädchenschulbildung. Nach 1933 bekamen ihre Schulen dann eine andere Funktion: Sie wurden zum sicheren Ort für die weiterführende Schulbildung jüdischer Mädchen und Jungen - bis zu ihrer Zwangsschließung.

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Februar 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis