Patenschaften für Kinder psychisch erkrankter Eltern

Johann Winkler mit seinem Patenkind. Foto: Thomas Protz

Ein Rettungsnetz für Kinder

Der kleine Junge blickte ein wenig traurig, aber hoffnungsvoll drein. Über ihm stand die Frage: „Hast Du Zeit für mich?“ und darunter „Paten gesucht für Kinder psychisch erkrankter Eltern!“

Johann Winkler (Name geändert) aus Friedenau hatte diese Plakate an Berliner U-Bahnhöfen gesehen und rief bei der angegebenen Telefonnummer an. „Ich bin letztes Jahr Ruheständler geworden und hatte den Wunsch, etwas Sinnvolles mit meiner Zeit anzufangen und mich zu engagieren“, erklärt Winkler auf die Frage, wie er auf die Idee gekommen ist, Pate zu werden. „Ich habe immer schon gerne mit jungen Menschen zu tun gehabt. Früher habe ich viele Lehrlinge betreut, zu denen ich bis heute freundschaftlichen Kontakt halte.“ Seine eigenen Kinder und die Enkelkinder leben nicht in Berlin. Hat er sich denn vorher Gedanken gemacht, was  es für ein Kind bedeutet, psychisch erkrankte Eltern zu haben? „Nein!“, sagt Winkler. „Mit psychischen Erkrankungen habe ich vorher nichts zu tun gehabt. Mir wurde erst auf dem Infoabend so richtig klar, was das für die Kinder bedeutet!“

Schon für Erwachsene ist es schwierig, mit der psychischen Erkrankung eines Ehepartners fertig zu werden, Kinder und Jugendliche sind erst recht damit überfordert, sich um ein Elternteil zu kümmern, das sich gerade in einer akuten psychotischen Phase oder in tiefer Depression befindet. Umso dringender sind sie darauf angewiesen, Hilfe zu bekommen. Sie brauchen eine verlässliche Bezugsperson, die ihnen im Alltag hilft, auf sie eingeht, zuhört und sie im Notfall versorgt. Hier setzt nun die Idee der Patenschaften an: Paten verpflichten sich, für das Kind verlässliche Bezugspersonen zu sein. Sie verbringen mit dem Kind einmal in der Woche und einmal pro Monat am Wochenende Zeit. Das Kind erlebt Alltag in einer anderen Familie, auf die es sich verlassen kann und darf in die Kinderrolle schlüpfen. Das sich entwickelnde Vertrauensverhältnis zwischen Paten und Kind kann schließlich zum rettenden Netz werden. Das Kind muss in Krisenzeiten seines Elternteils nicht zu fremden Menschen, sondern wird vom Paten aufgefangen.

Katja Beeck ist die Initiatorin und Bereichsleiterin des Berliner Angebotes „Patenschaften für Kinder psychisch erkrankter Eltern“ beim Jugendhilfeträger AMSOC e.V. Inzwischen wurden 27 Verträge zwischen Paten und Familien geschlossen. Die Paten arbeiten ehrenamtlich, doch werden die Patenschaften durch Fachkräfte begleitet. Zusammen mit der Koordinatorin Beate Redeker führt Beeck Vorgespräche sowohl mit interessierten Eltern als auch mit möglichen Paten. Meist suchen allein erziehende Mütter nach einer Entlastung. Sie müssen bereit sein, mit ihrer Krankheit offen umzugehen. Das Kind soll die Erlaubnis vom erkrankten Elternteil bekommen, jederzeit mit den Paten über die Krankheit und die damit verbundenen Gefühle sprechen zu dürfen. Die Paten wiederum müssen den psychisch erkrankten Eltern der Kinder wertschätzend und einfühlsam begegnen können.

Bei Johann Winkler kam es sehr schnell zu einer Vermittlung. Das erste Treffen mit Mutter und Kind zeigte, dass alle drei sich auf Anhieb sympathisch fanden. Die Mutter stimmte zu und ein Patenschaftsvertrag wurde geschlossen. Winklers Patenkind fasste schnell Vertrauen zu ihm und genießt die Zeit, die er mit dem Paten verbringt. „Wir waren im Hallenbad schwimmen, wir spielen viele Brett- und Kartenspiele. Und wir kochen zusammen“, lächelt Winkler. Viel schneller als üblich, übernachtete das Patenkind beim Ehepaar Winkler, denn die Mutter musste wegen akuter psychischer Probleme stationär im Krankenhaus behandelt werden. Auf diese Situation fühlte sich Winkler aber durch die Schulung und die Begleitung durch AMSOC gut vorbereitet.

Auf die Frage des kleinen Jungen auf dem Plakat „Hast Du Zeit für mich?“ haben erfreulich viele Menschen - auch aus Schöneberg und Friedenau – mit „Ja“ geantwortet. Mütter bzw. Eltern, die Entlastung durch eine Patenschaft suchen, haben deshalb im Moment gute Aussichten auf eine Vermittlung und können gerne bei Frau Beeck und Frau Redeker anrufen.

Patenschaften für Kinder psychisch erkrankter Eltern –
ein Angebot von
AMSOC e. V.,
Kaiserdamm 21,
14057 Berlin,
Telefon 33772682,
www.amsoc-patenschaften.de

Isolde Peter


Juli 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis