Schöne neue Welt
Trendprodukt „Rosinenbomber Starflight“

Zahlreiche Anwohner in Tempelhof – Schöneberg (aber nicht nur in diesem Stadtbezirk) wundern sich und fragen nach:

Schon wieder Fluglärm, und das insbesondere an jedem 3. Freitag im Monat bis in die Nachtstunden (z.T. sogar noch nach 00.00 Uhr). Ursache  dafür sind die Rundflüge über Berlin der Firma ASB mit dem von Vielen geliebten „Rosinenbomber“, einer Douglas Dakota DC-3 aus dem Jahr 1944; Flughöhe 600 m, 230 km/h schnell, zwei Doppelsternkolbenmotoren mit 14 Zylindern, ca. 1200 PS; 25 Passagiere.“ Die Passagiere lernen das „Trendprodukt Rosinenbomber“ vom „Lounge–Terminal C“ des Flughafens Schönefeld (Lounge – Musik und Martini inbegriffen) aus kennen. Abflüge sind jeweils um 21.30, 22.15 und 23.00 Uhr. Bei den Rundflügen werden zahlreiche Berliner Bezirke überflogen. Die planmäßige Flugdauer beträgt 35 Minuten (incl. Anlassen und Abstellen der Motoren). Der Flugpreis beträgt 169 Euro, Kinder zahlen die Hälfte, Personen über 115 kg Lebendgewicht (!) das Doppelte.
Nein, dies ist keine Werbung für „Starflight-Rundflüge“, sondern der Grund für einige Fragen der Stadtteilzeitung zum Fluglärm und zur Sicherheit über unserem Bezirk an den Berliner Fluglärmschutzbeauftragten Dr. Frank Rosin von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, gestellt am 31.5.10:

   1. Aufgrund welcher Rechtslage werden Rundflüge über der Innenstadt von Berlin genehmigt? Sind in der Genehmigung untere und obere Flughöhen fixiert?
   2. Existieren Auflagen zur tageszeitlichen Beschränkung der Flugaktivitäten? Offenbar nicht, denn wie sonst könnte man sich die inzwischen zunehmende Häufigkeit der Flüge – insbesondere freitags und am Wochenende, auch in den Zeiten nach 22.00 Uhr (z.T. sogar noch nach 00.00 Uhr) – erklären?
   3. Erfüllt der eingesetzte Flugzeugtyp die gültigen Lärmschutzbedingungen?
   4. Wird die Flugsicherheit des eingesetzten Flugzeugs hinreichend kontrolliert?
   5. Werden von den Piloten hinreichende Übungen für den Notfall (z.B. bei aussetzenden Triebwerken) durchgeführt und offiziell nachgewiesen ?

Die Antwort datiert vom 4.6.2010 und wird mit Dank an Herrn Dr. Rosin hiermit kundgetan und lautet wie folgt:

Seit der Schließung des Flughafens Berlin-Tempelhof bietet das Unternehmen Air Service Berlin (ASB) Rundflüge mit einer DC-3 („Rosinenbomber“) und mit einem Hubschrauber AS 350B an.
Das Unternehmen verfügt für diese Rundflüge über eine Genehmigung des Luftfahrt Bundesamtes, die in ganz Deutschland gültig ist. Diese Genehmigung deckt auch eine ausreichende technische Betriebssicherheit des eingesetzten Fluggeräts sowie typenabhängige Pilotenausbildung ab. (…)
(…)
Dass derartige Rundflüge praktisch uneingeschränkt möglich sind, liegt an dem „liberalen“ deutschen Luftverkehrsrecht. Nach § 1 des Luftverkehrsgesetzes ist die Benutzung des Luftraumes grundsätzlich frei.

Für diese Art von Flügen sowie für andere Flüge mit kleineren, meist propellergetriebenen Flugzeugen und Helikoptern gelten sogenannte Sichtflugregeln. Die Luftverkehrs-Ordnung sieht für Sichtflüge bestimmte Beschränkungen vor. So ist über Städten eine sogenannte Sicherheitsmindesthöhe einzuhalten, die nur unterschritten werden darf, soweit es bei Start und Landung notwendig ist.

Im kontrollierten Luftraum über Berlin wird Sichtflügen von der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH in der Regel eine Höhe von 2.000 Fuß (ca. 600 Meter) zugewiesen. Die Zuweisung größerer Höhen ist nicht möglich, da das Risiko von Kollisionen mit dem Instrumentenflugverkehr unbedingt ausgeschlossen werden muss.

Das deutsche Luftverkehrsrecht enthält keinerlei Einschränkungen für Flüge nach Sichtflugregeln hinsichtlich der Tageszeit sowie des Überfluges dicht besiedelter Gebiete. Auch eine rechtliche Grundlage für die Versagung derartiger Flüge aus Lärmgesichtspunkten existiert nicht.

Überprüfungen durch die DFS haben ergeben, dass die für Rundflüge eingesetzten Luftfahrzeuge die vorgeschriebene Flughöhe von 2.000 Fuß – mit Ausnahme von Start und Landung – einhalten.

Als Autor dieses Artikels verkneife ich mir jegliche Kommentare zur rechtlichen Situation.

Die Stadtteilzeitung wird sich im Zusammenhang mit den Fragen und der Antwort von Herrn Dr. Rosin um eine Stellungnahme des Bezirksamtes, der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz sowie unserer parlamentarischen Vertreter bemühen. Eine interessante Frage wird dabei auch die Position des Senats gegenüber der geplanten Änderung des § 29.1 im Luftverkehrsgesetz sein, die eine Verschlechterung des Schutzes der Nachtruhe bedeuten würde.

Hartmut Ulrich


„Riesenglück bei Bruchlandung des Rosinenbombers“
titelt der Tagesspiegel auf der Seite 9 am 20.Juni 2010. Mit 25 Passagieren startete die DC-3 am 19.6., um 15.45 Uhr in Schönefeld zum üblichen Rundflug über Berlin. Kurz nach dem Start geriet ein  Motor offenbar in Brand und der Pilot musste hart notlanden. Dank der sofort eintreffenden Feuerwehr geriet das Flugzeug nicht in Brand. Sieben Personen wurden verletzt, vier von ihnen in Krankenhäuser eingeliefert. Das Flugzeug wurde so schwer beschädigt, dass es wohl kaum zu reparieren ist. Dieser Vorfall zeigt einmal mehr, dass Rundflüge über Wohngebiete nicht nur aus Lärmschutzgründen, sondern vor allem aus Sicherheitsgründen  grundsätzlich verboten werden sollten!

Hartmut Ulrich.


Juli 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis