Von Schöneberg nach Europa oder...

Foto: Hans Markert

Europa in Schöneberg

Der Ort: Die Friedrich-List-Schule, Oberstufenzentrum Wirtschaftssprachen, Kompetenzzentrum Internationale Beziehungen in der Schöneberger Klixstraße.

Gastdozent Prof. Stratenschulte  verteilt je zwei 500 EUR Scheine Spielgeld als Kredite an SchülerInnen gegen Schuldschein-Quittungen. Andere erhalten 515 EUR Spielgeld einfach geschenkt. Mit diesem Geld wird nun das große Geldkarussell nachgespielt: Wer Geld hat, will es günstig anlegen – für versprochene Jahreszinsen von 5%, aber die 515 EUR reichen nicht, um dem Gläubiger Stratenschulte einen Schuldschein abzukaufen. Also zerschneidet der Dozent – als Bank – die Schuldscheine in Schnipsel, steckt die Schnipsel von verschiedenen Schuldscheinen in Umschläge und „verkauft“ diese für je 500 EUR plus 15 EUR Vermittlungsgebühr an die Interessenten. Er hat sein Geld wieder, hat kein Risiko mehr, 3% in wenigen Minuten verdient - ein gutes Geschäft. Die neuen Gläubiger haben nun Umschläge, von denen niemand mehr weiß, was eigentlich darin enthalten ist. Solange die Zinsen bezahlt werden und auch der Kredit pünktlich zurückkommt, merkt niemand, dass da etwas faul ist…

Das Ganze ist Bestandteil eines Projekttags, bei dem Professor Stratenschulte von der Europäischen Akademie Berlin einer Klasse des OSZ die Funktionsmechanismen des Geldverkehrs nahebringen will, einschließlich der gegenwärtigen Griechenland-Krise. In diesem Fall ist zusätzlich Prof. Tolksdorf von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in der Badenschen Straße dabei, der das Projekt mitentwickelt hat. Die sehr anschaulichen Unterrichts-Module dafür wurden an der Europäischen Akademie in Grunewald entwickelt und werden nun an 30 Schulen in der ganzen Bundesrepublik erprobt. Die Kosten für das Projekt werden gemeinsam von der EU und vom Bund getragen. Für die Schüler ist die Abwechslung im Schulalltag und  die Begegnung mit zwei sehr kompetenten Witschaftsfachleuten ein besonderes Erlebnis, zumal Prof. Stratenschulte ein hervorragender Entertainer ist und das Ganze mit viel Spaß vermittelt (- „wer einen Schlips trägt, ist vertrauenswürdig“).

Wenn diese Begegnung und der Lernzuwachs dieser Klasse der einzige Effekt wäre, müsste man wohl fragen, ob das Verhältnis von Aufwand und Nutzen angemessen ist. Doch der Nutzen geht weit über diesen Projekttag hinaus: Der anwesende Fachlehrer für Wirtschaft und Recht, Hannemann, wird die verwendeten Unterrichtsmodule in seinem Unterricht weiter verwenden und darüber hinaus als Fachbereichsleiter an seine Kollegen weitergeben. Die Europäische Akademie erhält durch die Projekttage in Schulen eine Rückmeldung, was an den Modulen noch verbessert werden kann. Diese Module werden dann einerseits ins Internet gestellt, andererseits wird eine Lehreinheit in Buchform erscheinen. Beides wird für alle Schulen im deutschsprachigen Raum zur Verfügung stehen.

Dass gerade die Friedrich-List-Schule für diesen Projekttag ausgewählt wurde, ist kein Zufall: Es ist ein besonderes Oberstufenzentrum, nämlich das für Wirtschaftssprachen und für internationale Beziehungen. Die Ausbildung führt zum Abschluss als staatlich geprüfte/r Fremdprachenkorrespondent/in, als Fremdsprachensekretär/in und als Europakorrespondent/in, jeweils mit dem Schwerpunkt Wirtschaft.

Zusätzlich zu den geschilderten Ausbildungsgängen gibt es an dem OSZ auch einen bilingualen Zug einer kaufmännischen Berufsfachschule, die Schüler mit erweitertem Hauptschulabschluss und guten Englischkenntnissen zu einem mittleren Schulabschluss mit kaufmännisch/fremdsprachlicher Orientierung führt (3 Wochenstunden Umgangs-Englisch und 6 Wochenstunden Wirtschafts-Englisch). Mehr über www.friedrich-list-berlin.eu

Gleichzeitig ist die Schule das Kompetenzzentrum für Internationale Beziehungen für berufliche Bildung in Berlin. (Mehr über http://europaberatung-berlin.de).

Hans Markert


Juli 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis